Malloreon 4 - Zauberin von Darshiva
Als das Alter den Kaiser schließlich senil werden ließ, entledigte sich Korzeth mit vierzehn Jahren gefühllos seines Vaters und bestieg den Kaiserthron.
Nach dem Krieg war Mallorea in seine ursprünglichen Teile – Melcena, Karanda, Dalasien und Altmallorea – zerfallen. Es gab sogar eine Bewegung, die eine weitere Aufteilung in die prähistorischen Königreiche anstrebte, die es vor dem Erscheinen der Angarakaner gegeben hatte. Diese Bewegung war besonders stark im Fürstentum Gandahar in Südmelcena, in Zamad und Voresbo in Karanda, und in Perivor in den Dalasischen Protektoraten. Da sie Korzeth seiner Jugend wegen nicht ernst nahmen, erklärten diese Gebiete überstürzt ihre Unabhängigkeit vom Thron in Mal Zeth; es sah auch so aus, als würden andere Fürstentümer es ihnen gleichtun. Der junge Korzeth schritt sofort ein. Dieser Kaiser verbrachte den Rest seines Lebens im Sattel und verursachte das möglicherweise größte Blutbad in der Geschichte; doch als er starb, hinterließ er dem Thronfolger ein wiedervereinigtes Mallorea.
Die Nachkommen Korzeths brachten eine andere Art von Herrschaft auf den Kontinent. Vor dem Verhängnisvollen Krieg war der Kaiser von Mallorea häufig nicht viel mehr als eine Marionette gewesen, während die Macht sich zum größten Teil in den Händen der Bürokraten befand. Doch nun regierte der Kaiser absolut. Das Machtzentrum verlagerte sich von Melcene nach Mal Zeth, gemäß der militärischen Orientierung Korzeths und seiner Nachfolger. Wie gewöhnlich, wenn ein Alleinherrscher die Macht ausübt, gehörten Intrigen bald zum Alltag des Hofes. Es gab Komplotte und Verschwörungen zuhauf, da die verschiedensten Höflinge und Beamten ihre Rivalen ausbooten wollten, um selbst in kaiserliche Gunst zu kommen. Statt mit diesen Intrigen aufzuräumen, ermutigten Korzeths Nachfolger sie sogar, denn sie erkannten, daß Männer, die einander nicht trauten, sich nie gegen den Thron zusammenschließen würden.
Der jetzige Kaiser, Zakath, bestieg den Thron mit achtzehn Jahren. Er war ein intelligenter, empfindsamer und fähiger junger Mann, der ein aufgeschlossener Herrscher zu werden versprach. Doch eine private Tragödie brachte ihn von seinem aufgeklärten Kurs ab und machte ihn zu einem Mann, den die halbe Welt fürchtete. Gegenwärtig ist er besessen von Macht; seit bereits zwei Jahrzehnten ist es sein Ziel, Kaiser aller Angarakaner zu werden. Nur die Zeit wird zeigen, ob es Zakath gelingt, auch die Herrschaft über die angarakanischen Reiche des Westens zu erringen. Doch wenn es ihm glückt, könnte sich die Geschichte der ganzen Welt drastisch ändern.
Erster Teil
MELCENA
1
I hre Majestät, Königin Porenn von Drasnien, war in nachdenklicher Stimmung. Sie stand am Fenster ihres sehr weiblichen, rosafarbenen Gemachs im Schloß von Boktor und beobachtete Kheva, ihren Sohn, und Unrak, den Sohn Baraks von Trellheim, die im sonnenüberfluteten Garten herumtollten. Die Jungen hatten das Alter erreicht, in dem man ihnen fast beim Wachsen zusehen konnte und in dem ihre Stimmen zwischen knabenhaftem Sopran und männlichem Bariton schwankten. Porenn seufzte und strich ihr schwarzes Gewand glatt. Die Königin von Drasnien trug seit dem Tod ihres Gemahls nur noch Schwarz. »Du wärst stolz auf ihn, mein geliebter Rhodar«, flüsterte sie traurig. Jemand klopfte respektvoll an die Tür. »Ja?« rief sie, ohne sich umzudrehen.
»Ein Nadraker möchte Euch sprechen, Eure Majestät«, meldete ihr alter Leibdiener an der Tür. »Er sagt, Ihr kennt ihn.« »Oh?« »Er heißt Yarblek.«
»O ja! Fürst Kheldars Geschäftspartner. Bittet ihn herein.«
»Er ist in Begleitung einer Frau, Eure Majestät«, fuhr der Diener in mißbilligendem Ton fort. »Sie bedient sich einer Sprache, die Eure Majestät vielleicht nicht hören möchte.«
Porenn lächelte. »Das kann nur Vella sein! Ich habe sie schon öfter fluchen gehört. Ich glaube nicht, daß sie es so ernst meint. Seid so gut und bittet sie beide herein.« »Sofort, Eure Majestät.«
Yarblek wirkte ungepflegt wie immer. Irgendwann einmal hatte sich die Schulternaht seines langen schwarzen Mantels aufgelöst und war lediglich notdürftig mit einem schmalen Lederband geflickt worden. Sein schwarzer Bart war rauh und dünn, sein Haar ungekämmt, und schon sein Äußeres verriet, daß er nicht gut roch. »Eure Majestät«, sagte er und versuchte einen Kratzfuß, der etwas wackelig ausfiel.
»So früh schon betrunken, Meister Yarblek?« fragte
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