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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Malleck im Arm. Im anderen Arm hielt er eine Flasche holländisches Bier. Es war ein Schwarz-Weiß-Bild, aber es war ganz sicher im Sommer aufgenommen. Der Tilmann trug kein T-Shirt und die Malleck ein bauchfreies. Ihre Haare waren zerzaust, als hätte sie gerade Sex gehabt, und sie strahlte übers ganze Gesicht. Der Kretschmann spielte irgendein viel zu langes, gezupftes Intro mit tausend Effekten, und ich stellte mir vor, wie er dem Tilmann eine Gitarre über den Kopf zog in seiner desinteressierten Art. Ein Scheinwerfer richtete sich währenddessen auf das Mikrofon ganz vorne. Aus dem Dunkeln trat der Kai Bartels heraus und sagte:
    »Auch wenn die beiden es nie geschafft haben, ein Duett zu singen, ich weiß, dass sie es immer vorhatten. Wir wollten ihnen das am Ende doch noch ermöglichen. Einen großen Applaus für unseren Ehrengast Veronika Malleck.«
    Die Leute im Publikum wurden verrückt, und das lag nicht an der Standesamtbeamten-Ansage vom Kai Bartels. Die Malleck kam auf die Bühne in einem weißen Sommerkleid mit offenen Haaren. Sie wurde von hinten angestrahlt, überirdisch wirkte ihre Frisur in dem Moment. Hinter ihr war es stockfinster.
    »Hallo ihr«, sagte die Malleck pseudoschüchtern.
    »Es freut mich sehr, hier bei euch zu sein. Ich will nicht lange reden. Ich kann auch gar nicht. Ich vermisse Leo ganz furchtbar, und ihr sicher auch. Das hier ist für dich, mein Schatz.«
    Der Schredder zählte zwei Takte vor. Sechsachteltakt. Dann ein völlig verhalltes Gezupfe vom Kretschmann mit so Zwischennoten. Obertönen, Flageolett genannt, aber Flageolett ist wirklich nur noch für Idioten heutzutage. Dann spielte jemand Klavier. Ach Gott, der Bartels am Klavier. Die hatten einen Flügel auf die Bühne geholt. Mir war unangenehm zumute, und ich fühlte einen leichten Schwindel heraufziehen. Vielleicht schämte ich mich aber auch nur wegen dem ganzen Pathos, dem man uns aussetzte. Ich schaute zum Mandel, der wie eine Schlange auf die Bühne starrte. Den Gesang vom Tilmann spielten sie vom Band ein. Den Rest der Strophe vollendete dann immer die Malleck. Im Refrain sangen sie zweistimmig.
    Tilmann:
    Ich will nicht, dass du gehst
    Ich will nicht, dass du lebst
    Ohne mich, weil ich dich
    So sehr lieb
    Malleck:
    Ich kann nicht ohne dich
    Vergess nie dein Gesicht
    Wenn du das noch willst
    Bleib ich hier
    Malleck:
    Und allein vergeht die Zeit
    Unendlich grausamer als zu zweit
    Tilmann:
    Stell deine Uhr auf null
    Und mach dich für mich bereit
    Malleck & Tilmann:
    Hier ist einer für die Ewigkeit
    Hier und jetzt bleib ewig stehen
    Niemand nimmt uns diesen Augenblick
    Er kann nie wieder vergehen
    Tilmann:
    Die Zeichen an der Wand
    Der Ring an deiner Hand
    Sagen dir, dieser Sturm
    Wird bald vergehen
    Malleck:
    Ich halt den Atem an
    Es dauert nicht mehr lang
    Dann wäscht der Regen
    Uns hinweg
    Die Malleck sang beileibe nicht schlecht. Jetzt erinnerte ich mich auch wieder an die Ballade. Weihnachten vor fünf Jahren. Ganz Deutschland hatte mitgeweint. Im Original damals mit der Sängerin von dieser Teenager-Popband gesungen, Name vergessen. Grausiger Schmonz. Eigentlich. Und vielleicht auch nicht. Ich wusste es plötzlich nicht mehr. Denn das Lied traf mich unerwartet und heimtückisch. Es riss mich mit. Nach unten. Wegen dem, was ich vorher schon mal gesagt habe. Dass erst der Verlust irgendeine beliebige Liebe zu einer großen Liebe macht. Und der Song und wie die Malleck ihn jetzt mit der Stimme vom Tilmann aus dem Jenseits im Duett sang, das war der Verlust in seiner reinsten Essenz. Ich hielt mir die Hand vor die Augen, als der Schwindel anfing. Alles kam heruntergekracht. Die ganzen Umstände. Die Malleck. Der Mandel. Der Tilmann. Die Malleck in unserem Büro am ersten Tag, das letzte Konzert vom Tilmann im Kunstpalast, der Edelstein auf seinem Segelboot. Die Nacht in der Pension Odin, die Gewalttätigkeit im Koloss von Prora, die Sommersprossen von Lana. Der Schwindel. Alles kam in vollem Umfang zurück zu mir. Genau in dem Moment. Ich hatte das Gefühl, alles um mich herum wird immer größer. Der Mandel, die Leute, die Bühne, mein Weizenglas. Und ich als Mini-Sigi kaum mehr sichtbar in meinem bezogenen Stuhl in der VIP -Lounge. Ich glaube, ich war panisch. Und das alles wegen einer Ballade. Ich sah den Mandel an, und der starrte weiterhin auf die Bühne wie eine Schlange. Ich atmete tief ein und wieder aus. Der Schwindel verzog sich langsam, spätestens als der Kretschmann noch ein Solo spielte, hatte ich

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