Mandels Buero
Hauptkommissar noch.«
Ich ging wieder rein und haute die Tür hinter mir zu. Ewig dieser Hausordnungsfaschismus. Ich schlug im Netz nach, wie man als Laie an den kleinen Waffenschein kommt, ließ aber die Seite mit den Bildern von der Malleck offen. Die eine Fotoserie von ihr in Schwarz-Weiß, Zwanziger-Jahre-Stil. Schwarzes Mieder. Die Beine in halterlosen schwarzen Nylonstrümpfen. Und es gab tatsächlich Waffenliebhaberblogs, die Tipps geben, wie man am schnellsten an einen Waffenschein kommt.
Ich öffnete meinen Kalender auf dem Computer. Für heute gab es keinen Eintrag. Aber morgen: Akademie. Einführungsveranstaltung »Beginn der Ausbildung zur Fachkraft Detektiv an der Sicherheitsakademie ( IHK -zertifiziert)«. Ein teurer Spaß für den Mandel und mich, der sich fast über ein halbes Jahr hinzog. Das Grundlagenseminar vom TÜV in Spandau hatte lediglich drei Tage gedauert. Gottseidank fanden die Seminare nur einmal im Monat statt. Aber fast fünftausend Euro pro Person und dann noch die Prüfungsgebühren. Ich war mir nicht sicher, ob sich das alles rentierte. Wir hatten uns da eventuell verspekuliert mit dem Renommee vom Onkel Hans. Aber jetzt war der ganze Mist schon bestellt. Neuer Computer, Mini-Peilsender, Abhörmikrofon und eben die Kurse. Ich gebe zu, letztlich war das – abgesehen von den Peilsendern und dem Abhörmikrofon – vor allem meine Idee gewesen, basierend auf dem Irrglauben, vom Onkel Hans ein intaktes Geschäftsmodell übernehmen zu können. Aber er war ja schon tot, bevor wir ihn hätten fragen können, was da los war mit seiner Auftragslage und wie alles so funktionierte mit einem Detektivbüro. Vorausgesetzt, dass es bei ihm überhaupt je funktioniert hat.
Vor ein paar Wochen waren wir noch beim Christian Deutzsch in seinem kleinen Chefredakteursbüro gesessen und hatten gelacht, als er die Guillotine niedersausen ließ. Also nicht gelacht im Sinne von besonders witzig. Eher im Sinne von Humor-ist-wenn-man-trotzdem-lacht-witzig oder Ironie-des-Schicksals-witzig, wenn überhaupt. Der Deutzsch, also unser Chefredakteur, dessen Job der Mandel in einem halben Jahr hätte vielleicht übernehmen können, hatte uns mittels einiger hervorragend dargebrachter Anekdoten erzählt, wie er sich am Vorabend mit dem Verlagsinhaber, dem Kopfler, in diesem Schnitzelrestaurant getroffen hatte. Besagter Vorabend hatte heiter angefangen, nur dann war der Kopfler nach sechs Williamsbirne und einem Jägerschnitzel mit Doppelkrustenserviettenknödel zu einem sehr nüchternen Thema gekommen. Nämlich, dass er den Express zusperrt und dass selbst die Büroräume schon weitervermietet sind und die nächste Ausgabe gar nicht mehr erscheint. Von heute auf morgen alles zu Ende. Er hatte den Deutzsch damit getröstet, dass er ihn als Chefredakteur für sein neues Kochen-für-Manager-Magazin Biztro in Hamburg einstellen würde. Das hat der Deutzsch uns zwar nicht erzählt, aber man kriegt ja im Nachhinein immer so einiges heraus. Und mit dem Gelächter der Verzweiflung, weil der Deutzsch den Kopfler nun mal so gut nachmachen konnte, war dann nicht nur das Schicksal vom Rock’n’Roll-Express besiegelt, sondern auch die Karriere von Max Mandel, Deutschlands beliebtestem Musikjournalisten mit Festanstellung.
Der Mandel war bis dahin eigentlich ein überwiegend zufriedener Zeitgenosse gewesen, auch wenn ihm immer zwei Sachen gefehlt haben. Einerseits die richtige Frau, weil der ganze Sex mit den Pressepromoterinnen von den Plattenfirmen ist ja nichts auf Dauer, aber noch viel notwendiger hat ihm eine eigene Band gefehlt, auch wenn er das nie zugegeben hätte. Weil der Mandel hat in seinem ganzen Leben noch nie in einer Band gespielt, wenn man die Gothic-Rock-Band bei ihm am Gymnasium nicht mitzählt, und die sollte man nicht mitzählen, weil das bei Tageslicht betrachtet eigentlich die Band von der Dauner Anita war und der Mandel lediglich ein paar Melodiebögen einhändig auf dem Keyboard von seinem Opa, einem Volksmusiker, mitgespielt hat. Natürlich, der Mandel war auch unmusikalisch bis zur Schmerzgrenze, aber wer gesteht sich das gerne ein, gerade wenn er so dringend Musiker werden will? Es war ja nicht nur wegen dem Musikmachen an sich. Es ging dem Mandel um dieses Lebensgefühl, wenn man das heutzutage noch straffrei so nennen darf: Sex, Drugs, Rock’n’Roll. Das war ja in der Jugend vom Mandel noch kein Sat 1 -Motto. Dass er am Ende ein gefragter Musikjournalist geworden ist, da kann jeder seine
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