Mandels Buero
Alltag begleiten. Bei den Proben zu der anstehenden Tour, den ersten Konzerten mit dem neuen Material, den Besprechungen mit dem Rest der Band, wenn er es zulässt, vielleicht auch Aspekte seiner Freizeit. Das wird dann im Idealfall eine Reportage über fünf Ausgaben. The Life And Times Of Leo Tilmann , um’s mal auf Englisch zu sagen. Eine Hommage zwar, aber eine ungeschminkte. Mit dem hässlichen Alltag und dem glamourösen. Eine Hommage an den einzigen großen deutschen Rockstar. Wer weiß, vielleicht wird am Ende sogar ein Buch daraus.«
»Ja, das klingt schon nicht unfunky, mein Lieber«, sagte der Urbaniak und strich sich eine Fettlocke aus der Stirn.
»Und wo soll das noch mal erscheinen? Weil deinen Express , den gibt’s ja praktisch nicht mehr, was man so hört.«
»Wie gesagt: Rolling Stone ist eine Option, aber wenn’s nach mir geht, sogar eher im Stern oder im Spiegel . Ich stehe mit den diversen Ressortleitern in Kontakt.«
Das war natürlich gelogen, dass der Mandel mit den Ressortleitern von Stern und Spiegel in Kontakt stand, aber ich glaube schon, dass sich so eine Reportage auch ohne das, was später passieren würde, in Nullkommanix an den Rolling Stone oder an eins dieser Herrenmagazine hätte verkaufen lassen. Nicht umsonst wollten die vom Rolling Stone den Mandel vor drei Jahren, als es den Printmedien noch besser ging, abwerben, aber der Mandel wollte partout nicht nach München.
»Ja Mensch, Max, das klingt fetter als fett.«
Der Urbaniak walzte ruhelos auf seinem Stuhl herum. Der Mandel hielt sich innerlich die Nase zu, wegen dem durch die Bewegung freigesetzten aufdringlichen Herrenduft vom Urbaniak.
»Du, ich seh den Leo eh heut Abend, dann red ich mit ihm. Und dann trefft ihr euch einfach mal, würd ich sagen«, sagte der Urbaniak und streckte die Hand aus. Nach der Hand vom Urbaniak nahm der Mandel seinen etwas zu jugendlich wirkenden schwarzen Mantel, der an der Taille zu eng war, verließ das Bürogebäude von Global Records und stieg in seinen Audi A4, Vorführmodell von vor zwei Jahren. Der Mandel war guter Dinge, das Lügen hatte ihm gar nichts ausgemacht, er fühlte sich erfrischt, weil er fand, dass ihm der Anfang von seinem ersten Fall gut gelungen war. Er rief mich an und behauptete, den Urbaniak habe er schon mal in der Tasche, die Reportage mit dem Tilmann sei praktisch beschlossene Sache. Und dass er jetzt ins Büro käme. Tatsächlich kam er erst gegen fünf wieder, ohne eine Erklärung, was er in der Zwischenzeit getrieben hatte.
Vier
Als ich abends mit dem Mandel im Deichgraf saß und Grünkohl mit Salzkartoffeln aß – es herrschten gerade Grünkohlwochen im Deichgraf –, war der Mandel alles andere als gesprächig.
»Wan los?«, fragte ich mit vollem Mund.
»Nichts«, sagte der Mandel und schaute ausdruckslos auf sein Gulasch mit Grünkohl.
»Jetzt iss halt«, sagte ich, und der Mandel nahm eine Gabel von dem Gulasch, aber wie ein Roboter.
Wir aßen vor uns hin, und der Mandel sagte in den heiteren Himmel hinein: »Der Tilmann. Das ist schon eine arme Sau irgendwie.«
»Wieso arme Sau? Der bescheißt die Malleck nach Strich und Faden und schreibt Songtexte, für die man sich als Realschüler schämt. Dafür bekommt er eine Menge Geld und die schärfste deutsche Schauspielerin. Was ist denn daran arm?«, fragte ich nach.
»Noch. Noch hat er das alles«, sagte der Mandel und starrte in sein Gulasch.
»Was meinst du denn, was wir da anrichten?«
»Gerechtigkeit, die richten wir an«, sagte ich.
»Komisch, dass eine wie die Malleck zu uns ins Büro kommt und uns ihr Herz ausschüttet. Uns eine Unmenge Geld anbietet, um ihren Ehemann zu ruinieren. Dass sie ausgerechnet zu uns kommt. Dass sie überhaupt weiß, dass wir dieses Büro haben«, sagte der Mandel, der in den letzten Stunden einen totalen Sinneswandel durchlitten haben musste, wo er am Telefon doch noch so euphorisch geklungen hatte.
Ich fühlte mich ein wenig ertappt, weil ich in meiner Malleck-Begeisterung natürlich nicht wahrhaben wollte, dass die Umstände in der Tat etwas seltsam waren. Deshalb war ich jetzt auch so unwirsch mit dem Mandel, wegen dem Ertapptgefühl.
»Mein Gott, jetzt red halt nicht alles schlecht. Es spricht sich eben rum, wenn wir was Neues machen. Schließlich sind wir jetzt auch nicht irgendwer. Und dass sie zu uns kommt, ist doch das Beste, was sie machen kann. Wer bekommt denn sonst so mir nix, dir nix Zugang zum Tilmann, wenn nicht wir? Und dass die Frau Geld
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