Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Schreibtisch.
»Man hat mich über den versuchten Mordanschlag informiert«, sagte sie. Sie war nicht beeindruckt von der Größe meines Büros oder der Aussicht.
»Schlechte Nachrichten …«, sagte ich, ohne mich verpflichtet zu fühlen, die abgenutzte Redensart zu vervollständigen.
»Vielleicht erkennen Sie jetzt, dass es in Ihrem Interesse ist, wenn Sie mit mir zusammenarbeiten.«
Ich lachte.
»Sind Sie ein Narr?«, wollte Antoinette Lowry wissen.
»Lady, ich habe zehn Sekunden nachdem ich aus dem Tiefschlaf erwacht bin, splitternackt zwei Profikiller getötet – einen erschossen, den anderen mit bloßen Händen erledigt. Und jetzt sagen Sie mir, was Sie verdammt noch mal hätten machen können, außer mir im Weg zu stehen?«
»Wenn Sie Ihre Informationen mit mir geteilt hätten, hätte dieser Anschlag vielleicht gar nicht stattgefunden.«
»Wollen Sie sagen, dass Rutgers etwas mit diesen Männern zu tun hatte?«
»Nein«, sagte sie auf eine Weise, die sehr viel mehr andeutete.
»Aber vielleicht jemand anderes?«, schlug ich vor. »Johann Brighton zum Beispiel.«
»Nein.« Dieses Mal war sie sich sehr viel sicherer.
»Aber es gibt Grauzonen. Sie machen Geschäfte an Orten, wo die Gesetze der Menschen andere sind oder manchmal praktisch nicht vorhanden.«
Das war der Beginn unseres eigentlichen Gesprächs. Ich hatte bewiesen, dass ich mit den Praktiken ihrer Welt vertraut war und mich zu behaupten wusste. An der Eindringlichkeit ihres Blickes erkannte ich, dass sie mich plötzlich als würdigen Gegner ansah – oder als Verbündeten.
»Was wissen Sie über die Killer?«, fragte sie.
Ich schilderte ihr die wichtigen Details so gleichgültig, wie ich konnte. Antoinette hörte aufmerksam zu und gab sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie die Einzelheiten des Mordversuchs beeindruckten.
»Klingt irgendwas davon irgendwie vertraut?«, fragte ich, nachdem ich die Geschichte mit dem Verhör abbrach, dem ich mich in der Elizabeth Street hatte unterziehen müssen.
»Wieso sollte es?«
»Ich weiß nicht. Sie sind diejenige, die den Raubüberfall untersucht.«
»Hört sich an, als hätten Sie diesen Anschlag selbst provoziert, Mr. McGill. Wer weiß, vielleicht hat derMordversuch überhaupt nichts mit meiner Ermittlung zu tun.«
»Kommen Sie, Mädchen«, sagte ich. »Nicht so schüchtern. Klingt dieser Scheiß nach irgendeinem Kleinganoven von der Straße oder vielleicht einem gehobenen Gangster? Für ausländische Killer braucht man nicht nur eine Menge Geld. Man muss auch verdammt gute Connections haben, um so was in die Wege zu leiten.«
»Mag sein«, räumte sie ein.
»Jeder, der mich engagiert, bewegt sich auf einem Niveau weit unterhalb solcher Beziehungen und Möglichkeiten. Und wenn man schon versucht, mich zu ermorden, muss ich diesen achtundfünfzig Millionen wohl ziemlich nahe gekommen sein.«
»Vielleicht haben Sie sie schon«, vermutete Antoinette. »Vielleicht haben Sie Ihre Komplizen bei dem Raub betrogen.«
»Schätzchen«, sagte ich, »Sie kennen meinen Lebenslauf wahrscheinlich besser als ich. Sie wissen, wie oft mein Leben auf dem Spiel stand und wie eingeschränkt mein Lebensstil ist. Meinen Sie, ich wäre hier in New York, wenn ich die Millionen hätte? Nein, ich wäre in einem Land ohne Auslieferungsabkommen mit den USA , würde Richtern Apartments mit Meerblick kaufen und lokale Schönheiten flachlegen.«
Diese lange gehegte Fantasie schien meine aktuelle Nemesis einigermaßen zu überzeugen.
»Warum dann?«, fragte sie.
»Lewis und ich haben für Zellas Freilassung gesorgt. Offenbar hat das die Exit-Strategie der wahren Täter gefährdet. Sie wollen alles vernichten, was mit Zella und ihrer möglichen Unschuld zu tun hat.«
»Aber warum sind sie dann hinter Ihnen her? Wenn Sie mit dem Raub nichts zu tun hatten, stellen Sie keine Bedrohung dar.«
Die Frau hatte genug Köpfchen, um noch was davon abzugeben.
»Verbrannte Erde«, erklärte ich. »Wenn man nach Zellas Entlassung alle wichtigen Beteiligten tötet, fällt das Verbrechen auf sie zurück. Ich meine, warum sollten sie und ihre Unterstützer sonst umgebracht werden.«
»Schon möglich.« Sie wirkte nach wie vor nicht restlos überzeugt.
»Was könnte es sonst sein?«
»Vielleicht bloß ein Zerwürfnis zwischen ehemaligen Partnern.«
»Glauben Sie einen Moment, wenn ich wüsste, wer hinter mir her ist, würden diese Leute noch atmen?«
Antoinette kannte meine Polizeiakte. Sie wusste, dass
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