Verliebt in den Feind?
1. KAPITEL
Rafael, Marqués de Las Carreras, tobte regelrecht vor Wut. Bei derartigen Ausbrüchen pflegten seine Freunde einen großen Bogen um ihn zu machen und abzuwarten, bis er wieder zu seinem gewohnt höflichen Verhalten zurückfand.
Rafael hatte eine Menge Gründe, zornig zu sein. Von Spanien aus war er über London und Los Angeles nach Auckland geflogen – doch schon auf dem Flughafen Heathrow in London war es zu einer sechsstündigen Verspätung gekommen. Auch wenn Rafael der Grund durchaus eingeleuchtet hatte – verschärfte Sicherheitskontrollen, da ein Anschlag befürchtet worden war. Seinen Anschlussflug über den Atlantik hatte er dadurch verpasst.
In dem viel späteren Flugzeug, das er schließlich notgedrungen hatte nehmen müssen, waren nur noch Plätze in der Economyclass frei gewesen. Eingekeilt zwischen einem übergewichtigen Autohändler und einer Mutter mit einem schreienden Baby, hatte Rafael die Strecke bis nach Los Angeles zurückgelegt. Schließlich war er mit achtzehnstündiger Verspätung in Auckland angekommen – um festzustellen, dass sein edler Designerkoffer verschwunden und der gebuchte Mietwagen, ein Porsche, längst anderweitig vergeben worden war.
Jetzt war guter Rat teuer. Weder seine Platinkreditkarte noch einige Bündel Dollarnoten halfen ihm, einen Wagen zu mieten. Rafael bekam bei einer Autovermietung nach der anderen dasselbe zu hören: Wegen einer großen Sportveranstaltung war kein Wagen verfügbar.
Der Marqués de Las Carreras war nicht gewohnt, sich mit Entschuldigungen zufriedenzugeben. Schon gar nicht, wenn sie aus dem Munde einer etwa fünfzigjährigen Angestellten stammten, die sich angelegentlich die Nägel lackierte. Und dabei weder auf sein charmantes Lächeln noch auf seine gefährlich gesenkten Tonfall ansprach. Normalerweise reichte die bloße Erwähnung seines Namens aus, ihm alles zu verschaffen, was er wollte: die besten Plätze beim Stierkampf und im Restaurant – und die schönste Frau im Saal. In seiner jetzigen Situation bedeutete das: den exklusivsten Mietwagen …
Der Marqués verstand die Welt nicht mehr. Das einzige Fahrzeug, das er nach langem Suchen schließlich doch noch fand, war ein arg verbeultes Auto mit schwarz-gelber Lackierung und neonfarbenen Aufklebern – und kostete ihn ein Vermögen. Vermietet wurde es von einer Firma mit dem bezeichnenden Namen Wreck Rentals .
Nun also machte er sich auf den Weg, zwei Tage und eine Nacht ohne Schlaf, mit zerknitterter Kleidung und in einem Auto, das jeder Beschreibung spottete.
Nach zwanzig Minuten wies ihm ein handgeschnitztes Schild den Weg zum Saxon’s Folly Weingut, dem Zuhause der Familie Saxon. Rafael folgte einer Allee, bis er in der Ferne die Gebäude sah: moderne Wirtschaftsbauten und ein herrschaftliches Wohnhaus.
Er fuhr in den Hof und brachte das Auto unter einer mächtigen alten Eiche zum Stehen.
Ihm stockte der Atem. Das Haus sah genauso aus, wie seine Mutter es ihm beschrieben hatte. Groß, weiß und dreistöckig, stammte es ohne Zweifel aus dem viktorianischen Zeitalter. Veranda und Balkone waren mit weißen schmiedeeisernen Geländern eingefasst.
Hier wurde die Vergangenheit förmlich greifbar. Rafael rief sich ins Gedächtnis, weshalb er hergekommen war, und kniff entschlossen die Augen zusammen.
Ihn wunderte nicht, dass die Handbremse nicht funktionierte. Er musste erst über einen Drahtzaun klettern, um einen Stein zu holen, den er unter das Hinterrad legen konnte. Dabei machte er sich nicht nur die Hände schmutzig, sondern auch seinen zwar zerknitterten, aber bis dahin sauberen Anzug.
„Madre de Dios“, murmelte er und machte sich auf den Weg, um Phillip Saxon zu suchen, dessentwegen er diese weite Reise angetreten hatte.
Caitlyn Ross fiel der Fremde sofort auf, der mitten in der Gedenkfeier für Roland Saxon eintraf. Zu Ehren des Verstorbenen wurde an diesem Tag ein neuer Weingarten angelegt. Bis zu den Bergen erstreckten sich in schier endlosen Reihen die Rebstöcke. Doch ausnahmsweise interessierte sich Caitlyn nicht für sie.
Ihre Aufmerksamkeit galt dem Fremden mit den nackenlangen Haaren. Nicht weil er groß und gebräunt war. Caitlyn, die den Umgang mit Heath und Joshua Saxon gewohnt war, hatte täglich mit Männern zu tun, die ähnlich attraktiv waren. Nein, auffällig an ihm waren das Glänzen seiner dunklen Augen und die steife und förmliche Art, wie er dastand.
Caitlyn hatte keine Ahnung, wer er war oder was er mit den Saxons zu tun haben mochte.
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