Manuskript des Teufels
gegen den mutigen jungen Forscher wegen Vortäuschung nicht ausreichend belegter Tatsachen und gefährlicher Irreführung zu stellen.
Stephan, versteh mich bitte nicht falsch. Dieser Vergleich hinkt gewaltig. Deine Aussagen waren wissenschaftlich belegt, die des jungen Mediziners noch nicht. Ich wollte dich nur daran erinnern, dass dir durch die Nichtveröffentlichung deines Manuskriptes wahrscheinlich sehr viele Anfeindungen und Ärger erspart geblieben sind. Und dennoch muss ich dich ermutigen, nicht aufzugeben. Absolutismus, Fundamentalismus und Fanatismus der Kirchen müssen ebenso bekämpft werden wie die Geißel der Menschheit, der Krebs. Daran ist nicht zu zweifeln. Also mein lieber Kämpfer für die gute Sache. Gib nicht auf! Jetzt erst recht nicht!“
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Trotz dieses erbauenden Abends im Maritim, trotz des ermutigenden Briefes von Manfred hatte das letzte Telefonat mit Efraim Kirschbaum bei D’Aubert die Schutzdämme der Belastbarkeit überflutet. Irgendein Selbstschutzmechanismus hatte offensichtlich den Schalter auf eine stoische Nullstellung umgelegt. Unbeweglich, apathisch und mit starrem Gesichtsausdruck hockte D’Aubert im Sessel hinter seinem Schreibtisch. Sein Blick war leer, seine Atmung kaum noch wahrnehmbar.
Er dachte an die vergangenen entbehrungsreichen Jahre, in denen er Tag und Nacht geschuftet hatte, um die ehrgeizigen Ziele seiner noch jungen Karriere als theologischer Wissenschaftler zu erreichen. Dann war es geschafft. Er erinnerte sich noch an den beglückenden Moment und den Stolz, endlich die Früchte seiner unermüdlichen und zielstrebigen Arbeit ernten zu können. Die Forschungsergebnisse erwiesen sich als Sensation. Sie würden je nach Standpunkt des Betrachters schockieren oder begeistern. In ihnen steckte eine Dynamik, die in der Lage war, die Welt zum Besseren zu verändern.
Bei seinen vertrauten Mitarbeitern im theologischen Institut der Uni Bonn und nicht zuletzt auch bei seinen Trainingspartnern in der GSG 9-Gruppe galt D’Aubert als „harter Hund“. Doch dann kam das Unfassbare: Die deprimierenden Erlebnisse der letzten Monate. Die frustrierende Beurteilung seines Manuskriptes durch die Kirche, angefangen bei seinem Freund Alois bis hin zum „unfehlbaren“ Oberhaupt, nicht zu unterschätzen die brutale Treibjagd gegen ihn und sein Manuskript, dann die Enttäuschung über Menschen, die ihm aus niederen Instinkten Bewunderung, Anerkennung, Vertrauen und sogar Freundschaft vorgegaukelt hatten.
D’Aubert schüttelte den Kopf, als wolle er den Ballast entsorgen, abschütteln, und an etwas Heilsames denken. Und genau das geschah in einem einzigen Gedanken, der plötzlich als Winzling auf der von Unrat leergefegten Bühne erschien und sich rasch zu einem alles beherrschenden Riesen entfaltete: ‚WAHRHEIT IST ZU WERTVOLL, UM IN GEWAHRSAM ZU VERWESEN.’
D’Aubert fühlte sich plötzlich wie neu geboren. Das hässliche Geschehen um sein Manuskript war ausgeblendet, abgehakt. Vor seinem geistigen Auge tauchten beachtenswerte Perspektiven auf. Eines stand für ihn in diesem Augenblick fest. Trotz aller Probleme und Hindernisse, die sich bisher vor ihm aufgebaut hatten, er musste den eingeschlagenen Weg weitergehen.
Der an Sphärenmusik erinnernde Klingelton seines iPhones holte ihn zurück in die Realität: „Maria, deine Stimme schickt der Himmel. Es tut so gut, dich zu hören. Am liebsten möchte ich hier alles stehen und liegen lassen und sofort zu dir kommen.“
„Was ist denn los? So kenne ich dich gar nicht. Ich wollte dich auch gerade fragen, ob wir uns heute noch sehen können. Ich müsste mit dir etwas Wichtiges besprechen.“
„Wenn wir jetzt losfahren“, nahm D’Aubert den Faden auf, „können wir uns in einer Stunde bei mir zu Hause in Hergarten treffen. Fantastische Idee. Ich habe Sehnsucht nach dir. Und ich werde in den Ritterstuben für heute Abend einen Tisch für zwei Verliebte bestellen. Bis gleich, ich freue mich.“
Einige Stunden später begrüßte Ingo Lütz seine beiden Gäste mit einem Waldmeister-Rhabarber-Champagner-Spezialdrink. „Der geht aufs Haus.“ Er bot den beiden das in dunkelbraunes Leder gefasste Speisekartenbuch an: „Möchten sie schon mal ein Blick hinein werfen?“
„Nein, danke. Noch nicht“, erwiderte Maria. „Wir haben erst noch etwas zu besprechen.“
D’Aubert schaute Maria erwartungsvoll an. Sie nahm seine Hand, blickte ihm in die Augen: „Stephan, ich hatte heute ein interessantes Gespräch. Heute
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