Marathon Mosel
auf den gläsernen Fahrstuhl.
»Quatsch«, Harry folgte dem bereits die breite Treppe hochsteigenden Präsidenten.
Das Sitzungszimmer, das neben den Diensträumen des Oberbürgermeisters lag, war noch leer. Walde betrachtete die drei in Form eines Hufeisens aufgestellten Tische und die Holzstühle mit den dicken Sitzpolstern. Durch die offenen Verbindungstüren sah er den Oberbürgermeister im Gespräch mit dem Sportdezernenten und einem hageren Mann mit dunklem Lederhut, der die beiden um zwei Köpfe überragte. In ihm erkannte Walde den Organisator des Stadtlaufs, dessen Konterfei er schon oft in der Zeitung gesehen hatte.
»Kommen Sie durch, meine Herren«, winkte sie der Bürgermeister heran.
Erst jetzt bemerkte Walde auch die Citymanagerin, die für das Programm des gleichzeitig am Wochenende stattfindenden Altstadtfestes zuständig war. Sie hatte bereits in einem der dunklen Ledersessel um einen niedrigen Tisch Platz genommen.
Der Oberbürgermeister wartete, bis alle saßen und sich Kaffee eingeschenkt hatten. »Läuft alles nach Plan?«
»Es sind immer noch nicht alle Verträge mit den Bands geschlossen. Die Feuerwehr bemängelt die ein oder andere Standplatzierung. Die Hotels sind ausgebucht.«
»Same procedure as every year«, bemerkte Stiermann.
Der Organisator des Marathons ergriff das Wort: »Die um einundzwanzig Kilometer verlängerte Strecke des ersten Trierer Marathons ist vermessen, weitere Verpflegungsstationen, Absperrungen und Umleitungen stehen fest. Ansonsten helfen uns zwanzig Jahre Erfahrung, die wir bisher mit dem Halbmarathon sammeln konnten. An der allgemeinen Organisation mit Pressearbeit, Registrierung, Startnummernausgabe, Zeitmessung, Umkleiden, Ergebnislistenversand et cetera ändert sich nicht viel.« Er sah von einem zum anderen in die Runde. Als sein knapp unter der Hutkrempe hervorkommender Blick bei Walde ankam, fixierte er einen Punkt direkt unter dessen Kinn.
Walde, der ihm nun ebenfalls nicht in die Augen schauen musste, bemerkte, dass Barthel, der Organisator, die aktuelle Version der Laufschuhe trug, die er selbst bevorzugte.
»Wir haben schon mehr als fünftausend Anmeldungen. Der Marathon schlägt ein wie eine Bombe.«
»Womit wir beim Thema wären.« Der Oberbürgermeister ließ seine Krawatte los, die er nach Art von Stan Laurel in Dick und Doof geschüttelt hatte. »Es liegt eine Terrorwarnung für das Wochenende vor.«
»Ihnen?«, fragte Stiermann.
»Sie kam aus Luxemburg.«
»Aha!« Die Feststellung des Polizeipräsidenten war für alle Anwesenden eindeutig. Im Ländchen, wie die Luxemburger liebevoll selber ihr Land titulierten, war eh alles anders. Da machte es keinen großen Unterschied, ob eine Terrorwarnung zur Polizei oder zu einer Kommunalverwaltung geschickt wurde.
Der Oberbürgermeister gab Stiermann ein Blatt Papier, das dieser überflog und an Walde weiterreichte. Unter dem Briefkopf des Luxemburgischen Außenministeriums las Walde die kurze Terrorwarnung. Lediglich zwei Halbsätze standen auf dem Fax. Terrorwarnung für Samstag, 26. Juni, und Sonntag, 21. Juni, erforderliche Maßnahmen sind umgehend zu veranlassen. Keine Unterschrift.
»Sollen wir wegen diesem Wisch alles abblasen?« Barthel warf seine Kopie auf den Tisch. Das Blatt rutschte über die glatte Oberfläche und kam an der Kaffeekanne zum Stillstand.
»Ich nehme eine Terrorwarnung grundsätzlich ernst«, sagte Stiermann. »Damit wird der Polizei eine noch größere Bedeutung zukommen, schließlich steht das Leben von vielen zehntausend Besuchern auf dem Spiel.«
»Über hunderttausend werden erwartet«, korrigierte Citymanagerin Hübschen den Oberbürgermeister. »Aber sollen wir uns wirklich die Arbeit eines ganzen Jahres von einem Gerücht kaputt machen lassen?«
»Gerücht?«, fragte Stiermann. »Eine Terrorwarnung ist kein Gerücht.«
»Schauen Sie auf den Briefkopf. Guy Peffer.« Barthels Stimme bekam bei dem Namen einen genervten Unterton. »Er hat sich für unseren Marathon die Startnummer 60 reservieren lassen, weil es angeblich sechzig Pfund sind, die er sich von den Rippen gehungert hat. Via Presse hat das ganze Herzogtum an jedem verlorenen Pfund mitleiden dürfen.«
»Hat Joschka Fischer da Pate gestanden?«
»Nicht zu knapp. Peffer hat sogar Fischers ehemaligen Trainer überreden können, ihn für den Marathon fit zu machen.«
»Und warum läuft er nicht in Luxemburg?«, fragte Stiermann.
»Der Höhepunkt des Hungerjahres sollte eigentlich der Echternacher
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