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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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weiterhin auf keinen Fall nach ihm um. Er soll uns ruhig beobachten und folgen.“
    „Ja, aber was hast du mit dem Mann vor, Bérenger?“ fragte ich und setzte mich mühsam auf, um noch einmal die Wasserflasche hervorzuholen.
    „Still, still. Das wirst du schon sehen, mein Liebchen“, er lächelte vielsagend, ohne seinen Blick vom Tal zu wenden. Nach wenigen Minuten erhoben wir uns.

    Die Hochebene nahm kein Ende. Bérenger konnte oder wollte es nicht lassen und hub erneut an, laut zu singen. Ich jedoch, ich schwieg. Ich brauchte nämlich meinen Atem, um halbwegs mit ihm Schritt zu halten, denn er zeigte erneut kaum Anzeichen von Ermüdung, stürmte jetzt sogar auf eine noch weit entfernte kleine Kiefernschonung am Horizont zu, die beim Näherkommen mit ihren kurzen, knotigen Stämmen einen seltsamen Kontrast bot zu den überall aus dem trockenen Boden schießenden zarten weißen und blauen Blüten.
    Ein scharfer Harzgeruch lag plötzlich in der Luft.
    Im Zickzackkurs liefen wir um die gedrungenen Bäume herum, die, wegen des Wassermangels auf der Hochebene, nicht viel größer waren als ich selbst. Vor Erschöpfung stolperte ich über eine herausgewachsene Wurzel – als sich urplötzlich der Boden unter meinen Füßen auftat! Ich ruderte heftig mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und in eine steil abfallende Schlucht hinabzustürzen. Noch immer leicht schwankend, warf ich einen Blick in die Tiefe. Mir wurde übel vor Schreck, als ich senkrecht unter mir ein von Sturzbächen blankpoliertes, ausgetrocknetes Kalksteinbett schimmern sah.
    Da zischte Bérenger: „Rasch, rasch!“ Während ich wie gelähmt am Rande des Abgrundes stehengeblieben war, war er blitzschnell hinabgeklettert. Mit den Fußspitzen stand er nun auf einem schmalen Absatz, packte entschlossen meine Hand und zog mich mit einem Ruck zu sich hinunter. Eine Kaskade kleiner Steinbrocken löste sich mit mir und polterte die Schlucht hinab. Gerade noch konnte ich einen Aufschrei unterdrücken, als Bérengers linker Arm mich, mitsamt meinem Korb, eng an die Wand drückte, bis ich mit den Füßen selbst Halt gefunden hatte. Mein Atem flog.
    „Ruhig, ganz ruhig“, flüsterte er mir ins Ohr, bevor er, mit dem rechten Fuß tastend, nach einer Möglichkeit suchte, weiter in die Schlucht hinabzusteigen.
    Durch Bérengers List waren wir von einer Sekunde auf die andere dem Fernrohr unseres hartnäckigen Verfolgers entkommen. Ich zitterte inwendig.
    Bizarre Vorstellungen plagten mich, die mir zu diesem Zeitpunkt, aus Angst um mein eigenes Leben, gar nicht in den Sinn hätten kommen dürfen. Aber es war nicht zu leugnen: Der Fremde hatte uns soeben aus den Augen verloren. Er würde mit dem Glas verzweifelt Ausschau halten. Wie schnell könnte dabei sein Schritt ins Leere gehen?
    Ins Leere. In die Schlucht?
    Und führe uns nicht in Versuchung.
    Aber sind nicht wir selbst in höchster Gefahr? versuchte ich mein Gewissen zu beruhigen. Und wer hat uns in diese Gefahr gebracht? Nein, Billards Spion hat das Schicksal herausgefordert!
    Bérenger, der nichts von meinen Gedanken ahnte, kletterte, die Lippen zusammengepresst, vorsichtig, Tritt für Tritt weiter nach unten und zog mich in eine Art Kamin hinein, in dem zahlreiche Büsche wuchsen. Mit der linken Hand klammerte ich mich an jede Wurzel, an jeden trockenen Heide-, Thymian- oder Kamillenstock, und wagte weder, ein weiteres Mal hinabzuschauen in die Tiefe, noch die schlimmen Gedanken zu Ende zu denken, die sich meiner bemächtigt hatten. Wir mussten weiterklettern, so oder so, wir hatten keine Wahl.
    „Ein Mensch, der keine Wahl hat, ist kein freier Mensch, Marie“, hatte mir Bérenger einmal gesagt. Kein freier Mensch ...
    Mein Schwindelgefühl nahm zu, und als mir klar wurde, dass ich Bérenger mit in die Tiefe reißen würde, wenn mein Fuß nicht auf der Stelle einen sicheren Halt fände, geriet ich fast in Panik. Bérengers linke Hand jedoch umklammerte meinen Arm. Das schweißüberströmte Gesicht gleich mir dem Steilhang zugewandt, machte er sich unbeirrt und zielstrebig an den Abstieg. Ich trat auf genau die Stellen, auf denen er Sekunden vor mir gestanden hatte, und hoffte inständig, nicht abzurutschen. Da geschah es ...
    Urplötzlich und mit rasantem Schwung zerrte Bérenger mich auf einen Felsvorsprung, so dass ich für einen kurzen Augenblick mit den Füßen in der Luft hing. Jetzt endlich hatten wir ein kleines Stück festen Boden unter uns, wenn es auch an drei Seiten weiter

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