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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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sei bestimmt ein Vermögen wert, und wurde bald von Gewissensbissen heimgesucht. Die eingravierten Worte gaben mir das Gefühl, ein Dieb von Erinnerungen zu sein.
    An einem regennassen Donnerstag beschloss ich, mein Geheimnis mit jemandem zu teilen. Mein bester Freund im Internat hatte durchdringende Augen und ein nervöses Temperament und wollte unbedingt JF genannt werden, obwohl die Abkürzung nichts mit seinem richtigen Namen zu tun hatte. JF hatte die Seele eines anarchistischen Poeten und einen so messerscharfen Geist, dass er sich damit oft in die Zunge schnitt. Er hatte eine schwächliche Konstitution, und wenn jemand im Umkreis von einem Kilometer das Wort
Mikrobe
aussprach, glaubte er schon, eine Infektion aufgelesen zu haben. Einmal suchte ich in einem Wörterbuch das Wort
Hypochonder
und machte ihm eine Kopie der Definition.
    »Ich weiß nicht, ob du es wusstest, aber deine Biographie steht im Wörterbuch der Königlichen Akademie«, sagte ich.
    Er sah rasch auf die Fotokopie und warf mir einen Blick wie ein Schürhaken zu.
    »Schlag mal unter I wie
Idiot
nach, dann siehst du, dass ich nicht die einzige Berühmtheit bin«, antwortete er.
    An diesem Tag schlichen JF und ich uns zur Stunde der mittäglichen Pause in die düstere Aula. Unsere Schritte auf dem Hauptgang weckten das Echo von hundert auf Zehenspitzen dahintänzelnden Schatten. Zwei harte Lichtkegel fielen auf die staubgeschwängerte Szenerie. Wir setzten uns in die Lichtung vor die leeren Stuhlreihen, die im Halbdunkel verschwammen. Der Regen krabbelte über die Scheiben des ersten Stocks.
    »Also«, sagte JF , »was soll die Geheimniskrämerei?«
    Wortlos zog ich die Uhr aus der Tasche und reichte sie ihm. Er hob die Brauen und prüfte sie einige Augenblicke eingehend. Dann gab er sie mir mit einem neugierigen Blick zurück.
    »Was hältst du davon?«, fragte ich.
    »Ich halte es für eine Uhr«, antwortete er. »Wer ist dieser Germán?«
    »Keine Ahnung.«
    Dann schilderte ich ihm in allen Einzelheiten mein Abenteuer einige Tage zuvor in dem verlotterten alten Haus. Er hörte mit der für ihn bezeichnenden, fast wissenschaftlichen Aufmerksamkeit und Geduld zu. Als ich fertig war, schien er das Ganze abzuwägen, ehe er seine ersten Eindrücke äußerte.
    »Du hast sie also geklaut«, folgerte er.
    »Das ist nicht der Punkt.«
    »Da müsste man schauen, was dieser Germán dazu meint.«
    »Wahrscheinlich ist dieser Germán schon seit Jahren tot«, sagte ich ohne große Überzeugung.
    JF rieb sich das Kinn.
    »Ich frage mich, was das Strafgesetzbuch zu vorsätzlichem Diebstahl von persönlichen Gegenständen und Uhren mit Widmung sagt«, meinte mein Freund.
    »Vorsätzlich, so ein Quatsch«, protestierte ich. »Alles ging ganz schnell, ohne dass ich Zeit zum Nachdenken hatte. Als ich merkte, dass ich die Uhr hatte, war es schon zu spät. An meiner Stelle hättest du genau dasselbe getan.«
    »An deiner Stelle hätte ich einen Herzstillstand erlitten«, präzisierte er, eher ein Mann der Worte als der Tat. »Angenommen, ich wäre überhaupt so verrückt gewesen, einer Teufelskatze zu folgen und in diesen alten Kasten einzudringen. Wer weiß, was für Keime man sich von so einem Vieh einfangen kann.«
    Einige Sekunden schwiegen wir und hörten dem fernen Echo des Regens zu.
    »Nun«, schloss JF , »geschehen ist geschehen. Du wirst ja wohl nicht noch einmal dorthin wollen, oder?«
    Ich lächelte.
    »Allein nicht.«
    Mein Freund machte tellergroße Augen.
    »O nein! Kommt nicht in Frage.«
    Noch am selben Nachmittag nach Unterrichtsschluss schlichen JF und ich uns durch die Küchenpforte davon und peilten die geheimnisvolle Straße an, die zu dem kleinen Palast führte. Das Pflaster war von Pfützen und Laub übersät. Ein bedrohlicher Himmel lag wie ein Deckel über der Stadt. JF , der sich mir mit mehr als gemischten Gefühlen angeschlossen hatte, war blasser als sonst. Der Anblick dieses in der Vergangenheit gefangenen Winkels ließ seinen Magen zur Murmel schrumpfen. Die Stille war ohrenbetäubend.
    »Ich glaube, am besten hauen wir wieder ab«, flüsterte er und trat ein paar Schritte zurück.
    »Sei doch kein Hase.«
    »Die Leute wissen Hasen gar nicht wirklich zu schätzen. Ohne sie gäbe es weder Ostereier noch …«
    Auf einmal breitete sich Glöckchenklingeln im Wind aus. JF verstummte. Die gelben Katzenaugen beobachteten uns. Unversehens zischte das Tier wie eine Schlange und zeigte uns die Krallen. Seine Rückenhaare sträubten sich,

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