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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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junge Mädchen lächelte verschmitzt. Dunkel und undurchdringlich bohrten sich Germáns Augen in meine. Ich nestelte in der Tasche und reichte ihm die Uhr in der Erwartung, der Mann werde jeden Augenblick zu schreien anfangen und mir mit der Polizei, den Zivilgardisten und dem Vormundschaftsgericht drohen.
    »Ich glaube Ihnen«, sagte er liebenswürdig, nahm die Uhr und setzte sich zu uns an den Tisch.
    Seine Stimme war sanft, beinahe unhörbar. Seine Tochter stellte auch vor ihn einen Teller mit zwei Hörnchen und eine Tasse Milchkaffee hin. Dabei küsste sie ihn auf die Stirn, und Germán umarmte sie. Ich beobachtete sie im hellen Licht, das durch die Fenster hereindrang. Germáns Gesicht, das ich mir als das eines brutalen Menschen vorgestellt hatte, wurde zärtlich, fast verletzlich. Er war außerordentlich schlank und lächelte mir freundlich zu, während er die Tasse zum Mund führte, und einen Augenblick lang konnte ich spüren, dass zwischen Vater und Tochter ein Strom von Zuneigung floss, die über Worte und Gesten hinausging. Ein Band des Schweigens und der Blicke einte sie in den Schatten dieses Hauses, am Ende einer vergessenen Straße, wo sie, weitab von der Welt, einer für den anderen sorgten.
     
     
    Germán beendete sein Frühstück und bedankte sich herzlich bei mir, dass ich mir die Mühe gemacht habe, ihm seine Uhr zurückzubringen. So viel Liebenswürdigkeit verdoppelte mein Schuldgefühl.
    »Nun, Óscar«, sagte er mit müder Stimme, »es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Ich hoffe, Sie haben irgendwann Lust, uns erneut zu besuchen.«
    Ich verstand nicht, warum er mich beharrlich siezte. Etwas an ihm erzählte von anderen Zeiten, als diese Mähne noch geglänzt hatte und dieser jetzt alte Kasten ein Palast auf halbem Weg zwischen Sarriá und dem Himmel gewesen war. Er gab mir die Hand, verabschiedete sich und verschwand in diesem unergründlichen Labyrinth. Ich sah ihn mit leichtem Hinken durch den Flur davongehen. Seine Tochter blickte ihm nach, einen Anflug von Trauer verbergend.
    »Germán ist nicht allzu gesund«, flüsterte sie. »Er wird schnell müde.«
    Aber sofort verbannte sie die Melancholie aus ihrem Blick.
    »Möchtest du noch irgendwas?«
    »Es ist spät geworden«, sagte ich und kämpfte gegen die Versuchung an, unter irgendeinem Vorwand noch länger in ihrer Gesellschaft zu verweilen. »Ich glaube, ich geh jetzt am besten.«
    Sie begleitete mich in den Garten hinaus. Das Morgenlicht hatte den Dunst vertrieben. Der beginnende Herbst färbte die Bäume kupfern. Wir gingen aufs Gittertor zu; Kafka schnurrte in der Sonne. Beim Tor angelangt, blieb das junge Mädchen auf dem Grundstück und ließ mich hinaus. Wir sahen uns schweigend an. Sie reichte mir die Hand, und ich ergriff sie. Unter der Samthaut konnte ich ihren Puls fühlen.
    »Danke für alles«, sagte ich. »Und Verzeihung wegen …«
    »Unwichtig.«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Nun …«
    Ich begann die Straße hinunterzugehen und spürte, wie die Magie dieses Hauses mit jedem Schritt mehr von mir abfiel. Auf einmal hörte ich ihre Stimme hinter mir:
    »Óscar!«
    Ich wandte mich um. Sie stand immer noch dort, hinter dem Gittertor. Zu ihren Füßen lag Kafka.
    »Warum bist du neulich abends in unser Haus eingedrungen?«
    Ich sah mich um, als erwartete ich, die Antwort aufs Pflaster geschrieben zu finden.
    »Ich weiß es nicht«, gestand ich schließlich. »Das Geheimnis vermutlich …«
    Sie lächelte rätselhaft.
    »Du magst Geheimnisse?«
    Ich nickte. Ich glaube, wenn sie mich gefragt hätte, ob ich Arsen mochte, hätte ich ebenfalls genickt.
    »Hast du morgen was vor?«
    Ich schüttelte den Kopf, weiterhin stumm. Gäbe es irgendetwas zu tun, so würde ich mir eine Ausrede einfallen lassen. Als Dieb war ich keinen Heller wert, aber im Lügen, muss ich gestehen, war ich schon immer ein Künstler gewesen.
    »Dann erwarte ich dich hier, um neun«, sagte sie und verlor sich in den Schatten des Gartens.
    »Warte!«
    Mein Ruf hielt sie zurück.
    »Du hast mir nicht gesagt, wie du heißt …«
    »Marina … Bis morgen.«
    Ich winkte ihr zu, aber sie war bereits verschwunden. Vergeblich wartete ich, dass sie sich nochmals zeigte. Die Sonne berührte die Himmelskuppel, und ich rechnete mir aus, dass es etwa zwölf Uhr mittags sein musste. Als ich sah, dass Marina nicht noch einmal kommen würde, ging ich ins Internat zurück. Die alten Haustüren im Viertel schienen mir vertraulich zuzulächeln. Ich konnte das

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