Mark Brandis - Testakte Kolibri
setzen und nach Metropolis zurückkehren. Die Lösung –«
John Harris sprach weiter, aber ich hörte nicht hin. Das Meteoritenfeld erwies sich als ausgedehnter, als ich erwartet hatte. Ein paar Sekunden lang hatte ich alle Hände voll zu tun, um dem heranjagenden Hagelsturm auszuweichen. Diesmal war es kein Spiel mehr. Die Situation begann ungemütlich zu werden.
»Verzeihung, Sir. Ich hatte da gerade ein kleines Problem. Lästige Meteoriten. Würden Sie mir noch einmal wiederholen, was Sie da soeben gesagt haben? Kommen!«
Ein Hauch von Ungeduld schien in Harris‘ Stimme mitzuschwingen – wie immer, wenn er etwas wiederholen mußte.
»Ich fasse noch einmal zusammen, Commander. Die Konstruktion ist ausgereift und kann so, wie sie ist, in Dienst gestellt werden. Die Ursache der bedauerlichen Unfälle war kein technischer Defekt, wie wir die ganze Zeit über vermuteten, sondern einwandfrei ein Fall von Sabotage – wahrscheinlich im Auftrag unserer asiatischen Konkurrenz. Ein Ingenieur von VEGA-Luna steckt dahinter, ein gewisser Tony Richardson. Er fühlte sich übergangen und benachteiligt, das jedenfalls führt er als Begründung an. Er wurde vor wenigen Augenblicken verhaftet. Die Testflüge werden mit sofortiger Wirkung eingestellt. Mehr gibt es dazu vorerst nicht zu sagen. Bleibt noch die Frage, ob ich selbst Espiritu Santu benachrichtige – oder ob Sie das übernehmen wollen. Kommen!«
Ich fühlte mich ausgelaugt. Acht Tote hatte das Projekt gekostet, neun, wenn man Vidal zu den Opfern hinzuzählte, und alles das wäre zu vermeiden gewesen, wenn es da nicht eine käufliche, pflicht- und ehrvergessene Kreatur gegeben hätte.
Ich dachte an meine Männer, die an diesem Projekt gearbeitet hatten, die lebenden wie die toten, und etwas in mir sagte mir, daß sie es aus meinem Munde erfahren sollten.
»Roger, Sir. Ich übernehme das.«
»Sehr gut, Brandis, das ist ganz in meinem Sinn. Auf ein Wiedersehen in Metropolis. Und Ende.«
Harris schaltete sich aus – und bevor ich noch dazu kam, einen klaren Gedanken zu fassen, schlug das Radar erneut Alarm.
Diesmal geriet ich mitten hinein. Der Schwarm erfaßte das Schiff und schüttelte es durch.
Ich durchlebte ein paar bange Sekunden, dann war der Spuk vorbei.
Alle Anzeigen waren unverändert normal. Das Schiff hatte keinen Schaden genommen. Offenbar hatte es sich nur um astralen Staub gehandelt, mit dem ich kollidiert war.
Ich ging auf die Frequenz von Kolibri -Tower und drückte die Taste. »Nummer Vierzehn ruft dringend Kolibri -Tower! Kommen!«
Kolibri-Tower gab keine Antwort. Ein zweites und drittes Mal versuchte ich, die Verbindung herzustellen – dann erst fiel mir auf, daß aus dem Lautsprecher kein Rauschen und Knistern mehr kam.
Kolibri -Tower konnte mich nicht hören. Ganz so unbeschadet, wie ich eben noch vermutet hatte, war meine Nummer Vierzehn doch nicht davongekommen. Die Antennenanlage war zerstört. Weder Kolibri -Tower noch VEGA-Luna, noch VEGA-Metropolis empfingen meinen Ruf.
Die Situation enthielt nichts Bedrohliches. Das Schiff war weiterhin voll flugtüchtig – und akustische oder automatische Landehilfe brauchte ich auf Espiritu Santu nicht in Anspruch zu nehmen.
Das einzige Übel bestand darin, daß ich nicht mehr in der Lage war, den Projektabbruch – wie mit Harris vereinbart – bekanntzugeben, aber auf die zwei Stunden, die mich noch von der Landung trennten, kam es nach all den Wochen auch nicht mehr an. Allenfalls hätte ich Grischa Romen noch zurückholen können. Mit seiner Nummer Sieben mußte er sich um diese Zeit bereits auf Sollposition befinden. Oder? Ich berichtigte mich. Wahrscheinlich beendete er gerade die submarine Flugphase.
Nun erst begriff ich die ganze Tragweite dessen, was mir Harris mitgeteilt hatte – und ich fühlte mich hin und her gerissen zwischen Empörung und Erleichterung. Aber auch etwas wie Stolz stellte sich ein.
Wie dem auch war, meine Männer und ich hatten den Beweis erbracht, daß der Kolibri ein ausgereiftes Schiff war. Die Arbeit war nicht umsonst gewesen. Der Schlüssel zu einer neuen Galaxis konnte guten Gewissens übergeben werden.
Der Rest war Sache der Gerichte.
War es wirklich nur gekränkte Eitelkeit, was diesen Tony Richardson getrieben hatte? Hatte er nicht vielleicht für Geld seine Seele verkauft – oder war er einer von diesen politischen Wirrköpfen, wie es sie zu allen Zeiten gegeben hatte: krankhafte Idealisten, die das wahre Heil immer jenseits der eigenen
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