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Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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war sternklar. Kaum daß ich abgehoben hatte, tauchte ich ein in die unwandelbare Welt der kreisenden Himmelskörper, in der eine Jahrmillion so spurlos verwehte wie anderswo ein Tag.
    Eine Viertelstunde nach dem Start verließ ich die Umlaufbahn um die Erde und ging ohne jede weitere Verzögerung auf lunaren Kurs. Eine Weile lang noch fühlte ich mich schmerzhaft in den Sitz gepreßt, dann war die Reisegeschwindigkeit erreicht, und ich rief ein letztes Mal Kolibri -Tower. Danach war ich mit meinen Gedanken unter den Sternen allein.
    Der Mond war noch nicht zu sehen, aber zur festgesetzten Minute würde er vor meinem Cockpit auftauchen – ein großer, verstaubt wirkender Lampion: eine Wüste, in der man hier und dort noch die Spuren der ersten Eroberer vorfand, der Amerikaner und Russen des 20. Jahrhunderts. Hundert Jahre hatten nicht gereicht, um diese Spuren erster, verwegener Pioniertaten zu tilgen; man fand sie allenthalben: verlassene Lunomobile, die in ihrer Primitivität rührend und erschreckend zugleich wirkten, verstaubtes Gerät, das einst die ersten zuverlässigen Messungen an die Erde geliefert haben mochte, und manchmal auch den Abdruck eines Fußes.
    Es gab auch jüngere Zeugen menschlichen Wagemutes auf dem Mond: Ruinen einer fehlgeschlagenen Kolonisation. Jahrzehnte hatten sich angeschlossen, bevor aus dem ‚unnützen Ding‘ wieder das Ziel programmierter Flüge wurde. Las Lunas war gewachsen, das Mekka der Vergnügungssüchtigen aus allen Teilen der Welt, ein modernes Babylon des Lasters und der Sünde.
    Die Instrumentenanzeige blieb normal; der Flug verlief ereignislos. Sogar das Radar schwieg und zeigte mir einen leeren Schirm. Auf der Las-Lunas-Route wäre das anders gewesen; dort herrschte zu allen Zeiten reger Verkehr. Um diese Stunde mochten die Playboys mit ihren Stratoflitzern unterwegs sein.
    Meine Route war einsam, und gerade deshalb liebte ich sie. In diesem Schweigen war ich zu Hause. Um in ihm zu leben, war ich Pilot geworden.
    Pünktlich auf die Sekunde setzte ich auf dem Landekreuz von VEGA-Luna auf. In der Halle ging ich von Bord. Doktor Greene stand schon bereit, um mich zu begrüßen, und wir tauschten miteinander die üblichen Bemerkungen.
    Romen mit der Nummer Sieben war, wie erwartet, bereits wieder gestartet und befand sich auf dem Weg zur Erde.
    Während ich mich aus der Kombination schälte, sagte Greene:
    »Sie sind ein seltener Gast geworden, Commander. Der Unfall war wohl ziemlich scheußlich, wie?«
    »Ich bin davongekommen«, antwortete ich, »und das in einem Stück. Aber fragen Sie nicht nach den Einzelheiten!«
    »Keine Lust, darüber zu reden?«
    »So ist es. Ansonsten ist mir jedes Thema recht. Was gibt‘s Neues auf dem Mond?«
    Greene machte eine wegwerfende Bewegung. »Was soll sich hier schon tun? Die einzige Abwechslung ist Las Lunas – und wer sich darauf einläßt, wird gerupft wie eine Weihnachtsgans.«
    »Nun«, sagte ich, um das Gespräch nicht einschlafen zu lassen, »nichts davon ist neu. Kann man noch irgendwo was zu essen bekommen?«
    »Die Kantine dürfte geöffnet haben. Wann wollen Sie wieder los?«
    »In sechs Stunden. Die Vierzehn kommt frisch vom Werk. Eine einfache Durchsicht sollte genügen.«
    Greene machte ein unzufriedenes Gesicht.
    »Sie müssen‘s wissen, Commander. Es geht schließlich um Ihre Haut. Übrigens, irgendein Sonderbeauftragter von Harris treibt sich seit einiger Zeit hier herum. Vielleicht treffen Sie ihn.«
    In der Kantine war ich der einzige Gast. Nachdem ich eine Kleinigkeit zu mir genommen hatte, zog ich mich in den Schlafraum zurück und streckte mich aus. Der Flug hatte beruhigend auf mich gewirkt. Zum erstenmal seit langer Zeit schlief ich fest und ohne quälende Träume.
    Zum festgesetzten Termin war ich wieder am Start: erholt, geduscht und rasiert, auf der Zunge noch den belebenden Geschmack des Morgenkaffees.
    Der Fahrstuhl brachte mich hoch ins Freie, ich bekam meine Startfreigabe und hob ab.
    Die Erde war gut zu sehen: ein großer, bunter, leuchtender Ball, eingehüllt in einen bläulichen Nebel – und wie so oft ließ ich dieses Bild auf mich einwirken. Es gibt kein schöneres als dies: die Erde – wie ein kostbares Juwel auf schwarzen Samt gebettet.
    Erst wenn man die weiten leeren Räume durchzogen hat, beginnt man das, was man als trockene Schulweisheit vermittelt bekam, auch mit dem Herzen zu verstehen – nämlich, daß es kein Zufall war, daß unsere ganze Kultur ihren Anfang nahm auf diesem

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