Mark Twain für Boshafte
wir dürfen nicht vergessen, daß es ebenfalls hier und da einen Amerikaner gibt, der lügt.
[BEU 492]
U m mich etwas genauer auszudrücken: das einfachste und gewöhnlichste Frühstück des Durchschnittsamerikaners besteht aus Kaffee und Steak. Nun, Kaffee ist in Europa ein unbekanntes Getränk. Man kann das bekommen, was der europäische Hotelier für Kaffee hält, aber es ähnelt wirklichem Kaffee ungefähr so, wie Heuchelei der Heiligkeit ähnelt... Die dazu servierte Milch ist von der Sorte, die man in Frankreich »christliche« Milch nennt – Milch, die getauft ist.
[BEU 490 f.]
R ezept für deutschen Kaffee: Man nehme ein Faß Wasser und bringe es zum Kochen. Darauf reibe man eine Zichorienbeere an einer Kaffeebohne und gebe erstere in das Wasser. Man setze das Kochen und Verdampfen fort, bis die Intensität des Dufts und Aromas von Kaffee und Zichorie auf einen angemessenen Grad gesunken ist, nehme dann den Sud vom Feuer und lasse ihn abkühlen. Nun schirrt man die Überreste einer ehemaligen Kuh vom Pflug los, schiebt sie in eine hydraulische Presse, und wenn man einen Teelöffel voll von diesem blaßblauen Saft gewonnen hat, der einem deutschen Aberglauben zufolge als Milch gilt, mildere man die ihm innewohnende schädliche Kraft mit einem Eimer lauwarmen Wassers und läute zum Frühstück. Man mische das Getränk in einer kalten Tasse, genieße mit Maßen davon und binde zum Schutz gegen zu starke Erregung ein nasses Tuch um den Kopf.
[BEU 497 f.]
D ie Verdammnis hole alle Fremdenführer! Dieser hier sagte, er sei der begabteste Sprachkenner in Genua, soweit es Englisch beträfe, und außer ihm wären überhaupt nur noch zwei Menschen in der ganzen Stadt dieser Sprache mächtig. Er zeigte uns das Geburtshaus von Christoph Kolumbus, und nachdem wir in stiller Ehrfurcht fünfzehn Minuten lang gedankenvoll dagestanden hatten, sagte er, es sei nicht das Geburtshaus des Kolumbus, sondern das der Großmutter des Kolumbus!
[AA 165]
G elegentlich trifft man auf einen Franziskaner mit rasiertem Kopf, langer grober Kutte, Gürtelstrick und Rosenkranz und mit sandalenbekleideten oder ganz nacktenFüßen. Diese Ehrenwerten kasteien sich, glaube ich, und tun Buße ihr Leben lang; aber sie sehen wie vollendete Hungersnot-Erzeuger aus. Sie sind alle fett und heiter.
[AA 166]
A ber wird diese Reliquienangelegenheit nicht ein bißchen übertrieben? In jeder alten Kirche, die wir betreten, finden wir ein Stück des echten Kreuzes und einige der Nägel, die es zusammengehalten haben. Ich möchte nicht rechthaberisch erscheinen, aber ich glaube, wir haben insgesamt ein Fäßchen dieser Nägel gesehen. Nehmen wir dann die Dornenkrone; es gibt einen Teil von einer solchen in Sainte Chapelle in Paris und einen Teil von einer solchen auch in Notre-Dame. Und was die Gebeine des heiligen Dionysius anbetrifft, so bin ich dessen sicher, daß wir deren genug gesehen haben, um ihn notfalls in zweifacher Ausfertigung zusammenzusetzen.
[AA 167]
D er Führer erzählte uns diese Dinge, und er würde sich wohl kaum an den verzweifelten Versuch wagen, uns eine Lüge aufzutischen, wo er kaum die Wahrheit in Englisch herausbringt, ohne die Maulsperre zu bekommen.
[AA 187]
S oweit ich beurteilen kann, hat Italien seit fünfzehnhundert Jahren all seine Kräfte, all seine Geldmittel und all seinen Fleiß darauf verwandt, ein riesiges Aufgebot wundervoller Kirchenbauten zu errichten, und hat dabei die Hälfte seiner Bürger verhungern lassen, um das zu erreichen. Es ist heute ein riesiges Museum von Pracht und Elend.
[AA 266]
D a ist zum Beispiel das Hôtel de Ville in Mailand. Es wimmelt darin von Mäusen und Flöhen, und falls die ganze übrige Welt zu Bruch ginge, gäbe es genügend Dreck her, um eine neue damit anzufangen.
[BEU 510]
D as also ist die berühmte Gondel und das der prächtige Gondoliere! – das eine ein tintenschwarzes, verschossenes altes Kanu mit einem mitten daraufgesetzten düsteren Leichenwagenaufbau, und der andere ein schäbiger, barfüßiger Gassenjunge, an dem Teile der Kleidung zur Schau gestellt waren, die einer öffentlichen Untersuchung hätten vorenthalten bleiben sollen.
[AA 221]
Ü berall war Musik – Chöre, Streichorchester, Blaskapellen, Flöten, alles. Ich war so umringt, ummauert von Musik, Pracht und lieblicher Schönheit, daß mich der Geist dieses Schauspiels überkam und ich selbst eine Melodie anstimmte. Als ich jedoch bemerkte, daß die anderen Gondeln weggefahren waren und mein
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