Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
Sicherungskasten. Alle Sicherungen sind rausgesprungen. Ich regle das und setzte mich wieder zu den anderen. Das Licht ist wieder an, einige elektrische Geräte machen einen automatischen Reset. So auch unser altmodischer Anrufbeantworter. Wir hören die Stimme meines Vater, er hatte das Ansageband besprochen: „Hallo, hier ist der Anschluss von Ursula und Heinrich Majowski. Schön, dass Sie anrufen. Bitte hinterlassen Sie nach dem Ton eine Nachricht. Wir werden uns umgehend bei Ihnen melden.“ Ein sehr bewegender Moment. Seine Stimme war laut und deutlich im Nebenraum, wo das Telefon stand, zu vernehmen. Unheimlich, aber auch schön. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Einige Tage später. Wir haben gute Freunde zu Besuch, und wir reden über Gott, Abschied, den Sinn des Lebens und die herrliche Musik, die mein Vater als Berliner Philharmoniker uns, seiner Familie und seinem Publikum in aller Welt geschenkt hat. Ich berichte von der Nacht seines Todes und wie das war mit dem Stromausfall und seiner Stimme auf dem Band. Plötzlich: Rums! Wie an seinem Todestag. Alles ist dunkel. Ich gehe wieder zum Sicherungskasten und schalte die Sicherungen ein. Wieder hören wir seine Stimme aus dem Nebenraum. „Hallo, hier ist der Anschluss ...!“ Ich weiß nicht, was mich mehr bewegt hat: die Stimme meines Vaters, die Gesichter der Freunde oder der Umstand, dass mir einfach seine Gegenwart bewusst wurde.
Zu Besuch, als Schutzengel, kommt mein Vater heute immer noch gerne vorbei. Er braucht damals eine Weile, um Abschied zu nehmen. Ich mache es ihm auch nicht leicht.
Ich neige dazu, mich in etwas hineinzusteigern. Und genau das ist das Problem. Ich steigere mich gerne, weil ich den Kick brauche. Ich suche ihn förmlich. Das gibt mir ein Gefühl von Wachheit. Das kann ich aber nicht in allen Lebenslagen tun. Es ist einfach nicht zu bewältigen.
Die Geschichten, die mir passieren, sind immer von Zeichen bestimmt, die mir auf meinem Lebensweg helfen sollen. Ich gehe damit vorsichtig um, und ich habe lange überlegt, ob ich sie aufschreiben soll. Gott hat all seinen Geschöpfen gewisse Handlungsmöglichkeiten gegeben. Hier bin ich!
So, und nun du! Herr, lass die Lampen flackern! Nicht? Gut! Wünschen ist erlaubt. Beginne ich etwas weiter vorne.
2 | Vom „Scarface“ zum „Irokesen“ — Die Geschichte meiner Kindheit
Im Bauch meiner Mama ist es wunderschön. Ich bleibe einfach mal länger drin. Es ist kuschelig. Ich bin ein Wunschkind. Und ich will da nicht raus. Die Folge sind zu lange Fingernägel. Die helfen mir, mein süßes Gesicht fleißig zu bearbeiten. Das sieht dann sehr verwegen aus. Als Jugendlicher kommen drei Narben dazu; die sind versteckt in den Falten meiner Pausbacken. Man muss ganz nah an mich herankommen, um ihrer gewahr zu werden. Ich ahne wohl schon, dass später einige Damen auf abenteuerliche Typen stehen werden … Es ist der 29. April 1964. Ich werde ein Frühjahrskind. Reichlich wenig Sonne hat meine Mama in den letzten neun Monaten abbekommen. Könnte sein, dass ich Linkshänder werde. Mama wird sehr, sehr ungeduldig und will mich endlich austragen. Na, kein Wunder! Heute kann ich das nachvollziehen. Aber ich bin neugierig, was das mit mir zu tun hat. Gar nichts. Es waren die Umstände – die anderen.
„Immer sachte, sachte!“ Mama hat soeben den Taxifahrer gebeten, sich zu beeilen beziehungsweise er hat einfach beschlossen, aufs Gaspedal zu treten und spricht gerade in sein Funkmikrofon: „Also, ick hab da jetzt eine junge Schwangere an Bord. Falls mich die Polizei anhält, wir haben det eilig!“
Ich bin zehn Tage übertragen. Ich will einfach nur noch raus, und wahrscheinlich habe ich Hunger. Als ich zur Welt komme, ruft mein Vater von einer Konzerttournee an: „Ist alles dran an dem Jungen?“ Meine geliebte Großmutter, Omi Bösche, antwortet: „Alles, was er braucht, hat er!“ Eine schöne Zeit als Kleinkind folgt! Ich darf an der Stereoanlage von Papa spielen und werde viel fotografiert. Es gibt aber auch verschlossene Türen. Ich mache jetzt, als Markus im Heute, eine auf und sage mit verschmitztem Lächeln: „Liebes Innere Kind, ich weiß, dass du in mir sitzt und alles mitbekommst. Du wartest sehnlichst darauf, dass ich dich hinausführe in das Leben. Ich habe dir vor einiger Zeit versprochen, dass ich dich nie wieder alleinlasse. Ich bin bei dir. Ich gehe jetzt die kleinen Schritte mit dir gemeinsam, nehme dich liebevoll an die Hand und erfreue mich mit dir am Leben.
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