Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
gehen. Die UN könnten die Lage hier als Anarchie verstehen und von der Erde heraufkommen und versuchen, wieder die Macht zu übernehmen.«
»Wo sind sie?« krächzte Ann. Sie zog ihre Hose an und ging ins Bad. Nadia folgte ihr. Auch das war eine Überraschung. In Underhill hätte es zwischen ihnen normal sein können; aber es war schon lange her, daß Nadia ihr ins Bad gefolgt war und hartnäckig geredet hatte, während Ann sich das Gesicht wusch und sich zum Pinkeln hinsetzte. »Sie haben ihre Basis noch in Lastflow, haben jetzt aber die Randpiste und die Verbindung nach Cairo abgeschnitten und kämpfen in West-Sheffield und bei der Muffe. Rote kämpfen gegen Grüne.«
»Ja,ja.«
»Also wirst du mit den Roten sprechen. Wirst du sie aufhalten?«
Ann wurde von einer jähen Wut erfaßt. »Du hast sie dazu getrieben!« schrie sie Nadia ins Gesicht, so daß diese in die Tür zurückprallte. Ann stand auf, ging einen Schritt auf Nadia zu, zog sich die Hose hoch und brüllte weiter: »Du und dein selbstgefälliges Terraformen, das ist alles so grün, grün, grün, ohne eine Spur von Kompromiß! Es ist ebenso deine Schuld wie die ihre! Sie haben schließlich keine Hoffnung!«
»Vielleicht«, sagte Nadia störrisch. Offenbar kümmerte es sie nicht. Das war Vergangenheit und spielte keine Rolle mehr. Sie wischte es weg und wollte sich nicht in ihrer Meinung beirren lassen. »Aber wirst du es versuchen?«
Ann starrte ihre hartnäckige alte Freundin an, in diesem Augenblick fast jugendlich vor Furcht, konzentriert und lebendig.
Es war wirklich zu spät. Das Rovercamp, in dem Ann gewesen war, war verlassen; und als sie mit dem Handy an ihrem Handgelenk einen Rundruf machte, erhielt sie keine Antwort. Also ließ sie Nadia und die anderen im Komplex von Ost-Pavonis schmoren und fuhr mit ihrem Rover hinüber nach Lastflow, in der Hoffnung, einige der Roten dort zu finden. Aber Lastflow war von den Roten aufgegeben worden, und keiner der Ansässigen wußte, wohin sie gegangen waren. Die Leute saßen in den Stationen und Cafes vor den Fernsehern; aber als Ann auch hinschaute, sah sie keine Meldungen über den Kampf, nicht einmal über den auf Mangalavid. Ein Gefühl von Verzweiflung begann sich in ihre bittere Stimmung einzuschleichen. Sie wollte etwas tun, wußte aber nicht, wie. Sie probierte es wieder mit dem Handy, und zu ihrer Überraschung antwortete Kasei auf ihrer Privatfrequenz. Sein Gesicht sah in dem kleinen Bildausschnitt dem von John Boone erschreckend ähnlich, so daß Ann in ihrer Verwirrung zuerst gar nicht hörte, was er sagte. Er sah so glücklich aus; das war John, wie er leibte und lebte!
»...mußte es tun«, sagte er. Ann überlegte, ob sie ihn danach gefragt hatte. »Wenn wir nichts unternehmen, werden sie diese Welt zerreißen. Sie werden es bis zu den Großen Vier treiben.«
Dies spiegelte Anns Gedanken auf der Felsleiste genau genug wider, um sie erneut zu schockieren. Aber sie nahm sich zusammen und sagte: »Wir müssen innerhalb des Rahmens der Diskussionen arbeiten, Kasei, sonst lösen wir einen Bürgerkrieg aus.«
»Ann, wir sind in der Minderheit. Der Rahmen kümmert sich nicht um Minoritäten.«
»Ich bin nicht so sicher. Aber daran werden wir arbeiten müssen. Und selbst wenn wir uns für den aktiven Widerstand entscheiden, muß es nicht hier und jetzt sein. Es darf nicht sein, daß die Marsianer sich gegenseitig töten.«
»Sie sind keine Marsianer.« In seinen Augen glomm ein Feuer; seine Miene erinnerte an Hiroko in ihrer Distanz von der gewöhnlichen Welt. In diesem Sinne war er keineswegs wie John. Das Schlimmste von beiden Elternteilen war hier vereinigt. Und so hatten sie einen neuen Propheten, der eine neue Sprache sprach.
»Wo bist du jetzt?«
»West-Sheffield!«
»Was wirst du jetzt tun?«
»Die Muffe erobern und dann das Kabel herunterholen. Wir haben die Waffen und die Erfahrung. Ich erwarte keine großen Schwierigkeiten.«
»Beim ersten Versuch habt ihr es nicht geschafft.«
»Zu phantastisch. Diesmal werden wir es einfach abhacken.«
»Ich dachte, so würde es nicht gehen.«
»Es wird funktionieren.«
»Kasei, ich denke, wir sollten mit den Grünen verhandeln.«
Er schüttelte den Kopf, ungeduldig ihr gegenüber und enttäuscht, daß sie die Nerven verloren hatte, als es losging. »Wenn das Kabel unten ist, werden wir verhandeln. Schau, Anna, ich muß jetzt gehen. Bleib außerhalb der Fall-Linie!«
»Kasei!«
Aber er war fort. Niemand hörte ihr zu, weder
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