Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Straße. Ann rannte zu ihnen hin und duckte sich neben Dao in den Eingang. Sie schrie: »Das hier muß gestoppt werden!«
Dao machte ein überraschtes Gesicht. »Wir sind fast bis zur Muffe gelangt.«
»Aber was dann?«
»Sprich darüber mit Kasei! Er ist vor uns oben, unterwegs nach Arsiaview.«
Eine ihrer Raketen fauchte los. Das Geräusch war in der dünnen Luft schwach. Dao war wieder dabei. Ann rannte die Straße weiter hinauf und hielt sich, so dicht sie konnte, an den Flanken der Häuser. Das war ganz offensichtlich gefährlich; aber in diesem Moment kümmerte sie sich nicht darum, ob sie getötet werden würde oder nicht. Sie hatte keine Angst. Peter war irgendwo in Sheffield und hatte das Kommando über die grünen Revolutionäre, die von Anfang an hier gewesen waren. Diese Leute waren schlau genug gewesen, um die Kräfte der UNTA am Kabel und oben auf Clarke gefangen zu halten. Darum waren sie keineswegs die glücklosen pazifistischen jungen eingeborenen Straßendemonstranten, für welche Kasei und Dao sie anscheinend gehalten hatten. Anns geistige Schüler, die eine Attacke auf ihr einziges Kind ritten, und das im vollen Vertrauen, ihren Segen zu haben. Wie sie ihn früher gehabt hatten. Aber jetzt...? Sie bemühte sich weiterzulaufen. Ihr Atem ging schwer und stoßweise, Schweiß rieselte ihr über die Haut. Sie eilte zur Südwand der Kuppel, wo sie auf eine kleine Flotte von Felsenwagen stieß, Turtle Rocks aus der Wagenfabrik von Acheron. Aber niemand darin antwortete auf ihre Anrufe; und bei näherem Hinschauen sah sie, daß sämtliche Frontscheiben unter den steinernen Wagendächern durchlöchert waren. Alle Insassen waren tot. Ann rannte in zunehmender Panik weiter nach Osten und hielt sich nahe der Kuppelmauer, ohne auf den Schutt unter ihren Füßen zu achten. Sie war sich bewußt, daß ein einziger Schuß sie töten konnte; aber sie mußte Kasei finden. Sie versuchte es wieder mit dem Handy.
Während sie damit beschäftigt war, ging ein Anruf ein. Es war Sax. »Es ist nicht logisch, das Schicksal des Aufzugs mit Zielen des Terraformens zu verknüpfen«, sagte er, als ob er zu mehr Leuten spräche als nur zu ihr. »Das Kabel könnte an einem ganz kalten Planeten befestigt werden.«
Das war der Sax, der er früher gewesen war. Aber dann mußte er bemerkt haben, daß sie eingeschaltet war; denn er blickte eulenhaft in die kleine Kamera an seinem Handgelenk und sagte: »Hör zu, Ann! Wir können die Geschichte am Arm packen und ihn brechen, und es schaffen. Es neu machen.«
Ihr alter Sax hätte das nie gesagt. Er hätte auch nicht zu ihr geschwatzt, offenbar zerstreut, bittend, sichtlich nervös. Wirklich einer der erschreckendsten Anblicke, die sie je erlebt hatte. Tatsächlich: »Sie lieben dich, Ann. Das kann uns retten. Emotionale Geschichten sind die wahren Geschichten. Wasserscheiden von Verlangen und Devolution, Devotion. Du bist für die Eingeborenen die Personifizierung gewisser Werte. Dem kannst du nicht entrinnen. Du mußt damit handeln. Ich habe das in Da Vinci getan, und es hat sich als hilfreich erwiesen. Jetzt bist du an der Reihe. Du mußt! Ann, du mußt dich diesmal mit uns allen zusammentun. Zusammen oder getrennt bleiben. Benutze deinen Wert als Ikone!«
Seltsam, so etwas von Saxifrage Russell zu hören. Aber dann veränderte er sich wieder und schien sich zusammenzunehmen. »Logisch ist es, eine Art von Gleichung für gegensätzliche Interessen aufzustellen.« Wieder ganz wie sein altes Selbst.
Danach piepte es an ihrem Handgelenk, und sie schaltete Sax aus und beantwortete den eingehenden Anruf. Es war Peter, auf der Frequenz der Roten, mit einer finsteren Miene, wie sie sie noch nie bei ihm gesehen hatte.
»Ann!« Er blickte fest auf sein Handy. »Mutter, hör zu! Ich will, daß du diesen Leuten Einhalt gebietest!«
Sie platzte heraus: »Red mich nicht als Mutter an! Ich versuche es gerade. Kannst du mir sagen, wo sie sind?«
»Darauf kannst du Gift nehmen, daß ich das kann! Sie sind gerade in die Kuppel von Arsaview eingebrochen. So wie sie vorrücken, sieht es aus, als ob sie versuchten, von Süden her an die Sockelmuffe heranzukommen.« Er erhielt diese Nachricht von irgendwem außer Sicht der Kamera. »Stimmt.« Er sah sie wieder an. »Ann, kann ich dich mit Hastings oben auf Clarke in Verbindung bringen? Wenn du ihm sagst, daß du versuchst, den Angriff der Roten aufzuhalten, könnte er glauben, daß es nur einige wenige Extremisten sind und sich heraushalten.
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