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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Martha, um ihr, wie es in den letzten Wochen zur Gewohnheit geworden, aus den Zeitungen vorzulesen.
    Rudolf benützte das, um seine Schwester in eine andre Ecke des Zimmers zu führen.
    »Komm, Sylvia, laß uns ein wenig plaudern; wir haben eigentlich gar nicht Gelegenheit gehabt – ich wollte, daß Du mir Dein Herz ausschüttest.«
    Unterdessen sah Martha ihre Briefe durch. Sie gab zwei davon Kolnos.
    »Lesen Sie mir das vor, es wird Sie interessieren.
    Er las:
    »Krasnoje Poljana, den –...
    Auf die Gefahr hin, liebe Baronin, Sie zu langweilen, indem ich wiederhole, was ich so oft in meinen Schriften, und ich glaube, auch Ihnen schon gesagt habe, kann ich mich nicht enthalten, es noch einmal auszusprechen: je älter ich werde und je mehr ich über die Frage des Krieges nachsinne, desto mehr bin ich überzeugt, das; die einzige Lösung der Frage in der Weigerung der Bürger läge, Soldaten zu werden. So lange jeder Mann im Alter von 20, 21 Jahren seine Religion – nicht nur das Christentum, sondern auch das mosaische Gebot »Du sollst nicht töten« – abschwören und versprechen muß, alle niederzuschießen, die sein Chef ihm befiehlt – auch die Brüder und Eltern –, solange wird der Krieg dauern und wird immer grausamer werden. Auf daß der Krieg verschwinde, tut nur das eine not: Die Wiederherstellung der wahren Religion und damit der menschlichen Würde. Man muß den Leuten zeigen, daß sie selber es sind, die das Leid des Krieges hervorbringen, indem sie den Menschen mehr gehorchen, als Gott.
    Leo Tolstoi.«
    »Was sagen Sie dazu?« fragte Martha, »halten Sie das von Tolstoi angegebene Mittel wirklich für das einzige?«
    »Ich glaube überhaupt nicht an einzige Mittel,« antwortete Kolnos. »Eine so tausendfach verschlungene Sache, wie eine alte Institution es ist, die muß auch von tausend verschiedenen Seiten angegriffen werden, um zu weichen. Und dann, wer kann den einzelnen – anderen – zwingen hinzugehen und als Märtyrer zu sterben? – Auch die Sklaverei ist nicht dadurch aufgehoben worden, daß die Sklaven sich widersetzten ...«
    Darauf las Kolnos den zweiten Brief:
    »Aulestad, Norwegen.
    Sie fragen mich, wie ich mir die Zukunft der Friedenssache denke? Immer im Bilde des Sonnenaufgangs. Für uns Nordländer kann der Sonnenaufgang so viel mehr bedeuten als für Südländer – bisweilen erwartet und begrüßt wie ein Wunder. Die Finsternis war so erdrückend lang, die Stille unheimlich, die erste Glut über den Felsenspitzen so trügerisch ... Es dauert und dauert und wächst, aber – keine Sonne! Auch wenn der Himmel schon hoffnungsvoll erstrahlt – noch immer keine Sonne! Und es ist kalt – eigentlich kälter als früher, denn die Phantasie ist ungeduldig geworden.
    Da, auf einmal wie ein Blitz mitten in unsere Betrachtung hinein die so lange verkündete Majestät selber! So stark, so bezwingend, daß die Augen sie nicht ertragen. Wir wenden den Blick zur Landschaft, die schon lange beseelt war, ohne daß wir es merkten, – in die Luft, die schon lange erhellt war, ohne daß wir es wahrnahmen. Alles, alles, bis hinab in die Tiefen und bis hinauf in die Höhen ist besonnt, klar, vollendet – von Wärme erfüllt, von Tönen durchzogen ...
    So, meine ich, geschieht es uns. Wir merken in unserer Sehnsucht nicht, was sich vollzieht – wie nahe schon die große Sonne des Weltfriedens ist. Es kommt etwas, das es bringt, wie ein Wunder. Aber es ist kein Wunder, wir sehen nur nicht in unserer Ungeduld, wie alles dafür vorbereitet war.
    Ihnen, liebe Frau, viele Grüße Björnstjerne Björnson.«
    Unterdessen hatte Rudolf seine Schwester neben sich auf ein kleines Sofa setzen lassen. Er schaute sie voll besorgter Teilnahme an. Sie war so blaß, und die zarten Züge gar so schmal. –
    »Nun, sag', wirst Du mir nicht wieder aufblühen? Du bist kaum achtundzwanzig – was kann Dir das Leben noch alles bieten!«
    »Nichts.« Und nach einer kleinen Pause: »Haft Du den toten Stern gelesen, Rudolf?«
    »Ja. Aber so denke doch nicht immer an den Verlorenen. Ich weiß, daß Dich ein harter Schlag getroffen hat.«
    »Ach wäre mein Unglück nur reuelos ...«
    »Reuelos? Das bist Du nicht?«
    »Das bin ich nicht...«
    »Meine arme Schwester, also doch?«
    »Was doch?«
    »Du warst seine – seine Gel–«
    Sie unterbrach ihn mit heftiger Gebärde.
    »Nein, nein ... das ist's ja eben – das nie genossene, das nie geschenkte Glück. »Man soll zum Glücke nicht »später« sagen – später kann eins

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