Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht
gewesen und hatten die ganze Zeit damit zugebracht, ihrer Großmutter vorzuführen, wie ihre iPods funktionierten. Sie hatten ihr zeigen müssen, wie man die Ohrstöpsel benutzte. Sie hatte versucht, sich sehr gerade aufzusetzen. Sie hielt den iPod mit beiden Händen.
»Lasst mal hören, wie diese Typen klingen«, rief sie – sie las den Namen ab. »Die Kings of Leon.«
Sie hatte etwa für eine halbe Minute in einen Song gehört.
»Gar nicht übel«, rief sie. »Aber gegen Elvis können die nicht anstinken.«
»Magst du Elvis, Oma?«, sagte Dommo.
»Was?«
»Ob du Elvis magst?«
»Den liebe ich!«, rief sie.
»Hast du ihn jemals auftreten sehen?«, fragte Killer.
»Nein, hab ich nicht«, rief sie. »Zu uns aufs Land ist der nie gekommen. Aber, Jungs, ich treffe ihn schon ziemlich bald.«
Sie hatten gelacht, wie sie es von ihnen erwartete, auch wenn sie auf ihren nahenden Tod angespielt hatte. Aber das war nichts wirklich Neues. Sie hatte sie immer zum Lachen gebracht. Wie Mary hassten auch die Jungs das Krankenhaus, und sie hassten die Tatsache, dass sie praktisch nie dort hingingen. Sie weigerten sich, es zu besuchen, weil sie es so sehr hassten. Sie fühlten sich wie Feiglinge, auch wenn sie das nie zugegeben hatten. Sie vermissten ihre Großmutter, ihre Mutter tat ihnen leid, sie taten sich selber leid. Aber sie wussten nicht, was sie sagen sollten, und für Umarmungen waren sie zu alt. Sie waren für alles zu alt.
Aber nach dem Essen blieben sie unten bei Mary und ihren Eltern und schauten sich »Das Supertalent« an.
»Na ja«, sagt Paddy in der Werbepause. »Dazu kann ich nicht mehr sagen, als dass es in Irland anscheinend keine Talente gibt.«
Die Jungs lachten nicht.
»Ich finde es gut!«, sagte Scarlett.
Die Jungs lachten.
»Der Typ mit der singenden Zahnbürste war ganz witzig.«
Die Jungs lachten.
»Aber habt ihr seine Zähne gesehen?«, sagte Paddy. »Total vergammelt!«
Die Jungs lachten nicht.
»Warum ist das nicht witzig?«, sagte Paddy.
Die Jungs zuckten die Achseln.
»Deswegen«, sagte Killer.
»Wegen was?«
Killer zuckte die Achseln.
Sie sahen sich den Rest der Show an, drei weitere Auftritte: eine Frau, die mit drei Messern jonglierte und früh von der Bühne verschwand, unter Gejammer und ihre Schulter umklammernd; ein Junge, der sich so lange auf dem Kopf drehte, bis ihm schlecht wurde, und eine Nonne mit Basecap, die Don’t stop believing auf Gälisch sang.
Als es vorbei war, streckte Paddy Arme und Beine aus. Er gähnte.
»Zeit fürs Bett«, sagte er. »Was gibt’s zu lachen?«
»Nichts.«
»Es ist noch zu früh fürs Bett«, sagte Killer.
»Es ist nie zu früh fürs Bett«, sagte Paddy.
»Das ist einfach nur traurig«, sagte Dommo.
»Da gebe ich dir recht«, sagte Paddy.
Er stand auf und überließ Dommo die Fernbedienung.
»Passt bloß auf, dass ihr nichts pädagogisch Wertvolles anguckt«, sagte er.
Sie lachten nicht.
»Es war so nett, dass ihr mit uns ferngesehen habt, Jungs!«, sagte Scarlett.
»Okay.«
»Eine halbe Stunde noch, dann macht ihr die Glotze aus, okay?«
»Eine Stunde.«
»Eine dreiviertel.«
»Gute Nacht!«, sagte Scarlett. »Ich hab euch lieb!«
Dommo murmelte irgendwas, das wie »Dich-Dito«, klang, aber Killer sagte nichts.
Mary wünschte ihren Brüdern keine gute Nacht. Sie wusste nicht, wie. Sie kannte sie nicht. Sie hatte sie früher gekannt, aber das war vorbei. Sie hatten sich in Aliens verwandelt. Manchmal machte ihr das Sorgen – häufig sogar, eigentlich. Sie hatte Angst davor, zu einer von ihnen zu werden. Killer war bloß zwei Jahre älter als Mary, also blieben ihr nur noch zwei Jahre normalen Lebens, bevor sie zu grunzen und grundlos zu lachen begann. Falls diese Merkwürdigkeiten nicht nur Jungen betrafen. Über ihren eigenen Körper und wie er sich demnächst verändern würde, wusste sie Bescheid, aber das sorgte sie nicht – kein bisschen. Sie fand sie aufregend, all diese Veränderungen, die schon hinter der nächsten Ecke auf sie warteten. Es waren nicht die körperlichen Veränderungen, um die Mary sich Gedanken machte. Es waren die seltsameren Veränderungen, solche wie die, die aus ihren Brüdern Fremde gemacht hatten. Sie wollte nicht wie sie werden. Sie vermutete, dass die beiden ziemlich einsam waren.
Aber das war sie selber auch.
Sie wechselte in die Klamotten, die sie zum Schlafen besonders gern trug, ein Kapuzenshirt und Pyjamahosen. Dann ging sie ins Bad und putzte sich die Zähne. Sie hatte als
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