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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Ermengarda und der Abt
    S ie wollen mir meinen Liebsten nehmen.
    Der Gedanke hatte mich die ganze Nacht gequält. Und dies seit Wochen. Dass sie ihm den Kopf verdrehen würden, diese lärmenden Priester und Hetzer, die jetzt nach dem Schwert riefen. Dass er mich verlassen und in den Krieg ziehen könnte.
    Edessa,
per Dieu.
Wo lag das überhaupt? Irgendwo in der Wüste, hieß es, am gottverlassenen Ende der Welt. Als ob das Glück der Menschheit von irgendeiner Stadt in Outremer abhinge. Was ging uns dieses Edessa an und ob es Türken oder Christen gehörte?
    Jamila, meine Magd, betrat die Kammer und begann, mein Bett zu machen, als mich unerwartet Schwindel und Übelkeit erfassten und ich mich setzen musste.
    »Schnell, die Waschschüssel!«, keuchte ich.
    Ein Blick auf mein Gesicht und sie hielt mir so hastig das Gefäß unter, dass ein wenig vom Inhalt auf meinen Schoß schwappte. Nicht zu früh, denn schon ergoss sich heißer Mageninhalt ins morgendliche Waschwasser. Wieder und wieder musste ich würgen, bis nichts mehr kam.
    Die Magd reichte mir einen Becher, um den Mund auszuspülen. Dann stellte sie die Schüssel weg und legte mir eine Decke um die Schultern, denn es war eisig in der Kammer, und ich saß nur im Hemd. Wäre doch nur erst der Winter vorüber. Ich bin einfach nicht für Nässe und Kälte gemacht.
    Jamila nahm ein Leinentuch und tupfte mir sanft die Lippen sauber. »Ihr seid bleich,
Domina.
Ihr solltet in den Garten gehen. Etwas frische Luft wird Euch guttun.« Sie lächelte und küsste mich auf die Wange.
    Der Gedanke an nasses Laub und braune Sträucher im winterlichen Palastgarten ließ mich schaudern. »Wann kommt endlich jemand, um das Feuer anzuzünden?«
    »Schon bestellt,
Domina.
« Sie berührte sanft meinen Bauch. »Weiß
Senher
Arnaut eigentlich schon, dass Ihr …«
    Ich schüttelte den Kopf. Bei all dem Gerede von Pilgerfahrt und Heiligem Krieg war es mir bisher unpassend erschienen, mein Geheimnis preiszugeben.
    »Er musste fort«, sagte ich und atmete tief durch. Das Schwindelgefühl schien sich zu legen. »Seinem Großvater geht es nicht gut.«
    »Ach,
Domna
Ermengarda. Er wird sich so freuen.«
    »Vielleicht.« Ich war mir da nicht sicher. Arnaut schien in letzter Zeit so wortkarg und in sich gekehrt, als beschäftigte ihn etwas, das er nicht mit mir teilen wollte.
    Eine junge Küchenmagd mit dem Arm voller Brennholz kam herein und machte sich am Kamin zu schaffen.
    »Mein Haar, Jamila.«
    Ich lehnte mich zurück und genoss, wie sich die Bürste in Jamilas geschickten Händen durch die langen, vom Nachtlager wirren Flechten mühte, ebenso ihr fröhliches, belangloses Geplapper, das dieses allmorgendliche Ritual stets begleitete. Sie tat mir gut, meine liebe Jamila, eine ehemalige Sklavin aus dem Land der Mauren. Seit vier Jahren war sie bei mir und inzwischen mehr als meine Magd geworden.
    Freundinnen hatte ich weiß Gott nur wenige. Aber darüber sollte ich nicht klagen. Das ist das Los der Fürsten. In den Jahren, seit ich das Erbe meines Vaters antreten durfte, hatte ich schmerzhaft lernen müssen, Schmeichler und Speichellecker von aufrichtigen Freunden zu unterscheiden.
    »Endlich Kinderlachen in diesen Mauern«, sagte Jamila. »Der ganze Hof wird sich um den kleinen Racker reißen, Ihr werdet sehen,
Domina.
«
    Darüber musste ich lachen, und meine Stimmung hob sich. Ach, wie sehr ich mir Kinder wünschte. Fast konnte ich ihr fröhliches Gekreische hören, wie sie durch die düsteren Gänge des alten Gemäuers tobten und zwischen den Beinen der Leibwachen Fangen spielten.
    »Alle werden das Kind verwöhnen«, spann Jamila den Gedanken weiter. »Sogar
Domna
Anhes.«
    »Bist du sicher, unsere gute Anhes mag Kinder?«
    »Warum, um Himmels willen, soll ich keine Kinder mögen?«, ließ sich die edle
Domna
Anhes vernehmen, die gerade in die Kammer getreten war.
    Anhes war eine Frau unbestimmten Alters, mager wie eine Heuschrecke, immer tadellos gekleidet, selbst in der größten Sommerhitze. Sie war eine entfernte Verwandte meines Vaters, Gott hab ihn selig, und hatte mangels Familienvermögens keinen standesgemäßen Ehemann gefunden. Worüber ich nicht unglücklich war, denn Anhes war die Seele des Palastes und weit mehr als ein
maior domus.
Mit geradem Kreuz und strengem Blick herrschte sie seit Jahren über den
palatz vescomtal
von Narbona, so dass Wachen, Köche und Gesinde vor Eifer sprangen, wenn sie auftauchte.
    »Als Kind hast du mich kaum beachtet, Anhes«, sagte ich

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