Masken der Begierde
aus dem Herrenhaus schleifen sollte. Doch die Vernunft siegte.
Er half Allegra ins Bett, deckte sie fürsorglich zu und streichelte ihre Wange.
„Schlaf, mein Liebes, morgen geht es dir besser.“
Allegra krauste die Stirn und nickte. Lucas lächelte und bezog Stellung auf dem Sessel an der Wand gegenüber. Er wachte über Allegras Schlaf. Gelegentlich übermannte ihn die Müdigkeit, doch das Schnarchen der Betrunkenen erleichterte es ihm, wach zu bleiben.
Clara Simmons zuckte zusammen, als sie die Augen aufschlug und Lucas St. Clare, Earl of Pembroke, über ihr stand.
„Habt Ihr Euren Rausch ausgeschlafen?“ Er konnte fühlen, wie ihm der Zorn in die Schläfen stieg, und zwang sich zur Ruhe. Allegras Lachen drang durch das offene Schlafzimmerfenster von der Terrasse herauf. Lucas konzentrierte sich auf die Frau, die sich mühsam aufrichtete. „Ihr verlasst mein Haus. Augenblicklich. Auf Halcyon Manor ist kein Platz für trunksüchtige Bedienstete.“
Die Pflegerin schluckte und hob an zu sprechen.
„Spart Euch Eure Lügen! Allegra kam letzte Nacht während eines Anfalls in mein Schlafzimmer. Es ist Eure Aufgabe, auf sie achtzugeben.“
Die Pflegerin erhob sich schwerfällig und starrte Lucas aus rot geränderten Augen an. „Ihr bestandet darauf, Allegra nicht zu fixieren …“
„So lange ich lebe, wird niemand Allegra wie eine schwachsinnige Irre behandeln!“, brüllte Lucas.
Der Zorn brachte seine Halsschlagader zum Pochen. Nur einmal hatte er Allegra in der Obhut seines Cousins Neil zurücklassen müssen, der Allegra auf genau diese Art behandelt hatte. Dies würde kein weiteres Mal geschehen. Er ballte seine Fäuste. Clara Simmons war nüchtern genug, um ängstlich vor ihm zurückzuweichen.
„Trollt Euch, Miss Simmons. Wagt Euch nie wieder unter meine Augen.“ Lucas wartete mit versteinerter Miene, bis die Frau ihr Bündel gepackt hatte und den Raum verließ, ehe er auf den Sessel plumpste. Er stöhnte und rieb sich das Gesicht.
Erneut war eine Pflegerin fort. Die wie vielte mochte Clara Simmons gewesen sein? Dieses Jahr bestimmt schon die zweite, die erste hatte mehr mit den Dienern geschäkert, als sich um Allegra gekümmert, und als diese einen Anfall gehabt hatte, flüchtete das dumme Weib hysterisch in sein Arbeitszimmer und wusste nicht, was sie mit einem Mädchen anstellen sollte, das wirr redete und zusammenbrach wie eine Marionette, der man die Fäden durchtrennte.
Lucas raufte sich die Haare, starrte an die Decke und stöhnte frustriert. Fand er denn nie die passende Krankenschwester für Allegra?
„Nein!“ Allegra stampfte mit dem Fuß auf, während sie in der Mitte des Büros stand. Ihre braunen Locken hüpften wild im Takt ihrer Bewegungen.
Lucas erhob sich, ging um den Schreibtisch herum und legte seine Hände auf Allegras Schultern. „Es geht nicht anders, Ally. Das verstehst du doch.“
Allegra schüttelte zornbebend den Kopf. „Lucas, du weißt genau, dass ich nicht schwachsinnig bin! Abgesehen von meinen geistigen Aussetzern bin ich normaler als alle anderen Mitglieder des ton zusammen.“
Lucas unterdrückte mit Mühe ein gequältes Lächeln. „Was schlägst du vor?“ Natürlich hatte sie recht, doch so großzügig die Gesellschaft über die Verrücktheiten und offensichtlichen Geisteskrankheiten altgedienter Lords und reicher Ladys hinwegsah, so erwies sich für ein junges Mädchen des tons schon der leiseste Zweifel bezüglich körperlicher und geistiger Gesundheit als verheerend. Seit dem Auftreten der Anfälle lebten Lucas und Allegra St. Clare zurückgezogen auf Halcyon Manor. Mit den Jahren hatte Lucas die Hoffnung verloren, Allegras Anfälle würden ähnlich wie Babyspeck schwinden.
„Eine Gesellschafterin“, sprudelte es aus ihr heraus. „Jemand, der jung und hübsch und klug ist. Eine Person, die keine Angst vor mir hat und sich nicht scheut, mir beizustehen, wenn mich die Anfälle heimsuchen. Eine wohlwollende Frau, die mir eine Gefährtin, auf jeden Fall aber eine Unterstützung sein kann.“
Seine Mundwinkel zuckten. „Mir scheint, du hast dir ausführliche Gedanken darüber gemacht.“
Allegra nickte heftig. „Die Betreuerinnen, die du mir ausgesucht hast, erwiesen sich als Katastrophen! Die eine dumm wie ein Laib Brot, die andere ständig griesgrämig und die Letzte eine Säuferin.“
„Also willst du die Gesellschaftsdame selbst auswählen?“ Lucas verschränkte die Arme vor der Brust, um ein bisschen männliche Autorität zu
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