Mathilde Möhring
rechtes Glück, daß er Tee trinkt«, sagte Thilde und goß der Mutter und dann sich selbst eine Tasse von dem Neuaufguß ein. »Kaffee, das schmeckt dann immer nach Trichter. Aber von Tee schmeckt das zweite eigentlich am besten.« Und während sie das sagte, zerbrach sie zwei Zuckerstückchen in viele kleine Teile und schob das Schälchen der Mutter hin.
»Nimm doch auch, Thilde.«
»Nein, Mutter. Ich mag nicht Zucker. Aber du bist für süß.
Und nimm nur immer ein bißchen in den Mund. Ich freue mich, wenn es dir schmeckt und wenn du wieder dick und fett wirst.«
»Ja«, lachte die Alte. »Du meinst es gut. Aber dick und fett. Gott, Thilde, wo soll das herkommen?«
Viertes Kapitel
Um sieben war Hugo Großmann zurück. Er traf Thilde im Entree. »War wer da, Fräulein?«
»Ja, ein Herr. Er kam um die fünfte Stunde. Und ich sagte ihm, daß Sie um acht wieder dasein wollten. Da wollt er wiederkommen.«
»Gut. Und hat er nicht seinen Namen gesagt?«
»Ja doch. Von Rybinski, glaub ich.«
»Ah, Rybinski. Nun, das ist gut.«
Und acht war kaum vorüber, so klingelte es auch, und Rybinski war wieder da und wurde hineingeführt.
»Guten Tag, Großmann.«
»Tag, Rybinski. Bedaure, daß du mich verfehltest. Aber nimm Platz. Nachmittags bin ich immer unterwegs.«
»Weiß«, sagte Rybinski und schob einen Stuhl an das Sofa. »Käpernick! Wird denn diese Dauerläuferei nicht mal ein Ende nehmen? Paßt doch eigentlich nicht zu dir. Du hast entschieden mehr vom Siebenschläfer als vom Landbriefträger. Also warum pendelst du zwischen Grunewald und Wilmersdorf immer hin und her? Oder hast du jetzt eine andre Pendelbewegung?«
»Muß sich erst herausstellen, Freund. Ich bin ja erst gute vierundzwanzig Stunden hier, gestern früh angekommen, hier drüben Friedrichsstraße. Gott sei Dank, daß ich wieder da bin, und auch wieder nicht. Owinsk ist ein Nest, natürlich, und wenn man aufgestanden ist, kann man auch schon wieder zu Bette gehn, und dazu die ewige Klagerei von Mutter und Schwester und keine Spur Verständnis für ein Buch oder ein Bild, und wenn ein Tanzbär auf den Markt kommt, dann ist es, als ob die Wolter gastierte... Na, das alles is nicht grade mein Geschmack. Aber ein Gutes hat solch Nest doch, man hat Muße, man kann seinen paar Gedanken nachhängen, wenn man welche hat, und die Büffelei hat ein Ende. Ach, Rybinski, das geht nun wieder los. Wie steht es denn mit dir? Wenn ich dich so ansehe mit deiner Polenmütze, nimm mir nicht übel, es sieht so 'n bißchen theaterhaft aus, und deinen Stiefeln über der Hose – du siehst mir auch nicht aus, als kommst du recte vom Repetitorium.«
»Welche feine Fühlung du hast, Großmann. Recte vom Repetitorium: nein. Aber was von recte ist auch dabei; recte vom Galgen...«
»Wie Roller?«
Rybinski nickte.
»Ach, mache keinen Unsinn, Rybinski. Was meinst du?«
»Was ich meine, davon später. Erzähle mir erst ein Wort von dir und von den Owinskern. Hast du zufällig meinen Onkel gesehn? Er kommt ja dann und wann in die Stadt, bei Pferdemarkt oder wenn er Geld braucht. Auf meinen letzten Brief hat er nicht geantwortet; es wird wohl grade Ebbe bei ihm gewesen sein. Und dein Vater? Woran starb er denn eigentlich? Er kann ja noch keine Sechzig gewesen sein. Und wie steht es mit dem Vermögen? Es hieß immer, er hätte was.«
»Ja, so heißt es immer, und wenn Gott den Schaden besieht, ist nichts da. Da war eine Kiste, so eine Art Arnheim, in seinem Bureau, die wir immer mit Respekt betrachteten, weil wir uns alle sagten, da liegt es drin. Und nun denke dir, was wir nachher gefunden haben.«
»Nun, die Hälfte.«
»Ja, proste Mahlzeit; eine Zereviskappe, ein Kommersbuch und ein Paar hohe Jagdstiefeln, gelbes Leder, genau wie wenn er sie von Wallenstein hätte.«
»War er denn ein Nimrod...? Übrigens könntest du mir erst eine Zigarre geben. Ich sah da eine kleine Kiste; sie enttäuscht mich hoffentlich nicht so wie dich die große Erbkiste. Ja, war er denn solch Jäger vor dem Herrn?«
»I Gott bewahre. Dazu war er viel zu bequem und fror immer. Er wird wohl, als er eben Burgemeister geworden war, mal eine Jagd mitgemacht haben, aber als ich so 'n halbwachsner Junge war, so kurz vorher, eh wir nach Inowroclaw aufs Gymnasium kamen, fuhr er immer bloß raus, wenn das Getafle beim Oberförster oder beim Amtsrat losging. Und einmal war es beim Torf-Inspektor, das weiß ich noch genau.«
»Und dabei war dein Vater doch eigentlich ein famoser
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