Mathilde Möhring
Zeichen und Randglossen und schien ihn am meisten interessiert zu haben.
»Mutter«, sagte Thilde, »wenn da nicht ein Wunder geschieht, der macht es nie.«
»Was denn, Thilde?«
»Na, das Examen. Uns kann es recht sein. Je länger es dauert, je länger bleibt er. Und wenn er es macht und durchfällt, so bleibt er auch. Wohin soll er am Ende? Sehr viel Anhang scheint er nicht zu haben. Selbst der Herr mit der polnischen Mütze war noch nicht wieder da.«
Das hatte freilich seine Richtigkeit. Rybinski war seit seinem ersten Besuche noch nicht wieder dagewesen, aber am Abend desselben Tages, wo Thilde Möhring diese Betrachtungen gemacht hatte, kam er und traf auch seinen Freund Hugo zu Haus.
»Endlich, Hugo. Du wirst gedacht haben, ich hätte geschwindelt und das mit dem Kosinsky sei nur ein Ulk gewesen. Aber ich sage dir, großer Ernst. Eigentlich heißt es bittrer Ernst, aber dies Wort möchte ich begreiflicherweise vermeiden. Man ist übrigens der Meinung, ich
müsse
gefallen, und einer sagte mir heut früh, ›ich sei der geborne Kosinsky‹. Leider war es Spiegelberg, aber wie das immer ist, gerade dieser ist eine treue Seele. Nun, morgen muß sich alles entscheiden. Ich bringe dir hier Billets, ein Parquet für dich und zwei zweiten Rang für deine Damen drüben, wenn sie auf diesen Namen hören, was mir allerdings zweifelhaft ist. Ich hätte dir drei Parquets bringen können, aber ich dachte mir, beide so dicht bei dir könnte dich vielleicht genieren, namentlich die Alte, sie ist doch noch sehr Mutter aus dem Volk. Und dann, offen gestanden, liegt mir und dem Direktor auch mehr am zweiten Rang; im Parquet sitzt immer Kritik, und wenn sich da zwei solche Damen auf Enthusiasmus ausspielen, wird es lächerlich, aber im zweiten Rang, da geht alles, auf den zweiten Rang, wenn man ein bißchen aufpaßt, kann man sich verlassen. Dein Platz unten ist Eckplatz, alles vorgesehn, aber ich finde, Hugo, du bist etwas nüchtern.«
»Nein, Hans, ich bin nur etwas benommen; ich dachte nicht, daß du mir Wind vorgemacht hättest, ich dachte nur, es wäre was dazwischengekommen, weil es sich so hinzog...«
»Ah, ich versteh; man hatte schließlich gemerkt, es ginge doch nicht, es sei nichts [mit] mir.«
»Du mußt nicht empfindlich sein, bist noch nicht aufgetreten und fängst schon damit an. Aber das ist nur die Hälfte von dem, was ich eben dachte. Das andre ist das mit den zwei Möhrings.«
»Aber, Herz, das ist ja leicht zu ändern, du kannst auch zwei Parquets haben.«
»Nein, das ist es nicht; im Gegenteil, das mit dem zweiten Rang hast du dir gut ausgedacht und rücksichtsvoll gegen mich. Es ist mit dem Mitnehmen überhaupt solche Sache, wenn wir auch verschiedne Plätze haben, das ist doch wie gesellschaftliche Gleichstellung, und wenn ich mit der Alten über den alten Moor spreche oder sie mit mir, denn ich werde nicht anfangen, so sind wir intim. Und das geht doch nicht gut. Und dann, was kann denn solche Frau sagen? Alles bringt nur in Verlegenheit.«
»Ach, Hugo, das ist ja lächerlich. Soviel mußt du doch wissen, daß überhaupt bloß Unsinn gesprochen wird.«
»Und dann muß ich sie doch hinbringen, und wenn es aus ist, muß ich sie wieder nach Hause begleiten.«
»Das seh ich nicht ein. Du machst ihnen ein Geschenk und läßt sie ihrer Wege gehn.«
»Gut, du sollst recht haben: ich will es so machen. Du siehst nun, warum ich so benommen war, was du nüchtern nanntest. Von nüchtern keine Rede, eigentlich bin ich aufgeregt, wie wenn ich selber den Kosinsky spielen sollte.«
»Wer weiß, was kommt.«
Und damit brach der Freund wieder auf, weil er noch hunderterlei zu tun und zu bedenken habe. »Bei Philippi sehn wir uns wieder. Und ficht tapfer. Unterlieg ich, so muß ich mich ins Schwert stürzen.«
»Verlange nur nicht, daß ich es halte.«
Rybinski war kaum fort, so ging Hugo zu den beiden Frauen hinüber, um ihnen die zwei Billets zu bringen; Parquet sei ausverkauft, das sei der Grund, daß sie sich trennen müßten, aber er werde immer hinaufsehn.
Mutter Möhring sagte gar nichts, Thilde aber fand sich leicht zurecht und sagte mit vielem Anstand und in ihrer ganzen Haltung wie verändert: »Es sei sehr liebenswürdig, an sie zu denken, und sie empfänden es als eine große Ehre.«
»Ja«, sagte die Alte, das habe sie auch sagen wollen.
Und nachdem noch ein paar Fragen gestellt und hin und her komplimentiert worden war, ging Hugo wieder in sein Zimmer hinüber, während die Alte eine
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