Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
oft geklungen hatte.
»Mich verfolgt einer«, sagte Matti. Und gleich fiel ihm ein, dass er es besser nicht gesagt hätte. Warum ihr das erzählen?
»In einer Stadt fährt einem immer jemand hinterher.« Sie lachte. Früher wäre sie länger eingeschnappt gewesen.
Er lachte, aber ein richtiges Lachen war es nicht. Er fragte sich, wie viele Wanzen Twiggy noch gefunden hatte. Sie müssten sich zusammensetzen und überlegen, was sie tun könnten. Er fühlte sich hilflos.
»Wenn du Lust hast, dass wir mal wieder … was essen gehen, rufst du an. Und ich auch.«
»Rat mal, warum ich angerufen habe, du Schlaumeier?«
Matti spürte, wie seine Erregung wuchs. Die Erinnerung an die letzte Nacht war ihm nah. Er hatte die ganze Zeit eigentlich nur an sie gedacht, und alles andere schien hinter einem Schleier verborgen, sogar die Wanzen.
»Ich weiß jetzt noch nicht …«
»Melde dich, bald!« Er hörte noch ihr Lachen, bevor sie auflegte.
Der Audi hinter ihm stand einfach da. Matti gab Gas, der Audi gab Gas. Es war sonnenklar, der Audi-Fahrer wollte, dass Matti es merkte. Wie gestern. Der will mir Angst machen. Der sagt mir, gib die DVD zurück, dann hast du Ruhe. Und wenn ich nicht darauf reagiere, wird er sich melden und deutlicher werden. Alles klar.
Als er sich aus unerfindlichem Grund entschieden hatte, sein Glück vor dem Urban-Krankenhaus zu versuchen, meldete sich die Zentrale auf dem PDA . Die SMS lautete: Vorm Eckbert, Bürknerstraße . Mehr um sich vom Verfolger abzulenken, übernahm Matti die Tour. Am Landwehrkanal blühte eine Trauerweide, ein kleines Motorboot tuckerte ostwärts. Als er in die Bürknerstraße links einbog, sah er sie gleich, eine große Frau, korpulent, mit blau-rot gemustertem Kopftuch und dicker Brille, die schon reichlich nervös vor dem Eingang wartete.
»Da sind Sie ja endlich!«, blaffte sie mit keifiger Stimme und warf ihren Körper auf die Rückbank hinterm Fahrersitz. »Julius-Hart-Straße 17«, befahl sie.
Matti überlegte fieberhaft, wo diese elende Straße sein könnte. Klang nach Osten, wohin ein altgedienter Westberliner Taxifahrer sich nur ungern verirrte. Ostberlin lag für Matti immer noch hinter einer Mauer, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man besser mehr Bananen in den Osten gekarrt als Ostberliner in den Westen. Es gab Kollegen, die kannten sich auf dem Mond besser aus als in Lichtenberg, Biesdorf oder Marzahn.
Er holte das kleine Navi aus dem Handschuhfach und steckte es in die Halterung an den Lüftungsdüsen. Es dauerte eine Weile, bis das Gerät gestartet war. Dann suchte es die Satelliten.
»Fahren Sie Richtung Köpenick, das werden Sie doch kennen.« Eine Bierfahne wehte nach vorn.
Er tippte die Adresse ein und wartete, bis das Gerät bereit war. Über die Wuhlheide und Hirschgarten bis Friedrichshagen. Den Müggelseedamm kannte er sogar. Es waren gut achtzehn Kilometer, das lohnte sich immerhin. Dafür würde er auch den Bierdampf vom Rücksitz ertragen. Nur warum musste sie sich direkt hinter ihn setzen?
Sie schnaubte.
Er wendete und fuhr los. Der Audi hatte in hundert Metern Abstand gewartet und folgte, als würde ihn das Taxi an einem langen Abschleppseil ziehen. Schnellerstraße, Karlshorster-, dann in die Wilhelminenhofstraße, während sie pausenlos Unverständliches vor sich hin brabbelte und der Audi gemütlich folgte. Die Ampel an der Kreuzung mit der Edisonstraße war grün, er sah es von Weitem. Er wurde langsamer, und sie schnaubte. Als er vielleicht dreißig Meter vor der Ampel war, schaltete sie auf Gelb um, und Matti bremste, während er den Audi beobachtete. Der folgte hinter einem Porsche-Cabrio. Rechts vorn sah er einen großen Komplex mit Lagerhäusern und einem Fabrikgebäude. Von links näherte sich eine Straßenbahn. Als die Ampel auf Rot umschaltete, gab Matti Gas, der Diesel heulte auf wie ein Treckermotor unter Volllast, und der Wagen dröhnte über die Kreuzung. Irgendwo hupte es zornig, im Rückspiegel sah er die Straßenbahn. Er bog in die nächste Straße rechts ab, sie entpuppte sich als Zufahrt für Gewerbegebäude und Hallen. Grauer Beton, der Weg, die Gebäude. Er raste an einer Mauer entlang und sah vor sich Wasser, die Spree. Am Ende der Straße erkannte er links einen Parkplatz, auf dem Handwerkerbusse und Lieferwagen parkten. Er stellte sich ans Ende vor ein großes Gebäude mit bröckelndem gelbem Putz. Die Frau auf der Rückbank hatte nicht mal mehr gebrabbelt. Aber als er stand, atmete sie schwer aus,
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