Mea Suna: Seelensturm Band 1 (German Edition)
auftauchen. Außerdem, wie sollte ich Onkel Finley all dies erklären? Zu lange hatte ich geschwiegen.
Ich sah seine Augen vor mir, als ich an den Taluri dachte. Sein Lächeln, das ich nur schemenhaft sehen konnte, da es auf dem Spielplatz zu dunkel gewesen war. Schon an diesem Abend spürte ich, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Er war derjenige gewesen, der mich fortgeschickt hatte, als würde er sich selbst nicht über den Weg trauen. Er trug ein Geheimnis mit sich, das ich unbedingt herausfinden wollte.
Mein Entschluss stand fest. Ich wollte dieses Treffen. Amy war überhaupt nicht einverstanden damit. Sie hatte solche Angst und war der Meinung, dass es eine Falle war. Doch mein Gefühl sagte mir etwas anderes.
Diesmal würde es nicht einfach werden, das Grundstück zu verlassen. Onkel Finley hatte, seit Amy verschwunden war, die Sicherheit erhöht. Den ganzen Tag und auch die Nacht über patrouillierten jeweils zwei Gorillas im Außenbereich und zwei weitere im Haus. Die einzige Möglichkeit war, über die Mauer zu klettern. Wichtig war, dass ich genau den Moment abpasste, wenn sich die Gorillas näher am Haus befanden. Das konnte allerdings sehr schwierig werden, da ich vorher unbemerkt aus dem Fenster klettern musste.
Amy war den ganzen Vormittag lang schon sehr nervös. Ein paar Mal rempelte ich sie unterm Tisch an und verzog warnend mein Gesicht. Sie sollte sich endlich zusammenreißen, sonst konnte ich meinen Plan heute Nacht wohl vergessen.
Sie zappelte unruhig auf ihrem Stuhl und sah ständig auf die Uhr, sodass Agnes schon auf sie aufmerksam wurde.
»Hast du noch etwas vor?«
Ihre Wangen röteten sich und ihr Blick wurde glasig. Das war das sichere Zeichen dafür, dass sie etwas zu verheimlichen versuchte.
»Nein, warum?«, antwortete sie gespielt gleichgültig.
Ich biss auf die Zähne in der Hoffnung, dass sie sich eine gute Ausrede einfallen ließ. Kurz sah sie zu mir. Ein weißer, geheimnisvoll schimmernder Nebel umgab mich.
»Na, du bist so unruhig heute. Gegessen hast du auch kaum«, bemerkte Agnes.
Onkel Finley und Mr. Chang, die mit uns im Esszimmer saßen, unterhielten sich und achteten nicht weiter auf Amy. Ich war so froh darüber, ihre Nervosität hatte keine Aufmerksamkeit bei ihnen erregt.
»Jade und ich wollen uns später einen Film ansehen. Auf den freue ich mich schon sehr lange«, log sie und nickte mir auffordernd zu, mitzulügen. Die gute Agnes blickte nun zu mir, so dass ich gezwungen war, etwas zu erwidern.
»Ja, ... Amy wollte schon mit mir ins Kino, aber ich hatte damals keine Lust«, ergänzte ich, stocherte weiter lustlos in meinem Essen. Schnell schob ich meine volle Gabel in den Mund, das stellte Agnes immer zufrieden und ich hatte Zeit, mir weitere Ausreden fallen zu lassen. Ich war eine schlechte Lügnerin und unsere Ziehmutter wusste das. Trotzdem schien es, als hätten wir sie überzeugt und ich war froh, dass Onkel Finley Agnes mit einem anderen Thema ablenkte.
Später sprach er über das Training, das Mr. Chang mit uns intensivieren wollte.
»Es wäre gut, wenn ihr ab morgen zwei Mal täglich ein paar Stunden trainiert. Am besten morgens und abends.«
Agnes fing an, das Geschirr vom Tisch zu räumen, während Amy sofort aufstand und laut klappernd ihren und meinen Teller ineinander stellte. Was sollte das? Konnte sie sich nicht einfach benehmen wie immer? Sie half sonst nie, den Tisch abzuräumen. Selbst Agnes runzelte die Stirn. Innerlich verfluchte ich sie schon. Wenn das so weiter gehen würde, konnte mein nächtlicher Ausflug wirklich in Gefahr sein. Offensichtlich aber hatte sie begriffen, wie merkwürdig ihr Verhalten war, nahm trotzdem beide Teller und lief in die Küche.
»Ich halte es für eine gute Idee, zweimal zu trainieren, doch sollten wir es nicht übertreiben. Für Amy ist es schwierig, so viele Stunden damit zu verbringen, allein weil ihre Hand noch nicht vollkommen verheilt ist«, sagte ich zu Mr. Chang, als sie den Raum verlassen hatte.
Er nickte kurz. »Es wäre aber gut, wenn sie die Bewegungsabläufe weiter trainiert. Dafür braucht sie ihre Hand nicht. Damit sie darin sicherer wird. Und wir sollten gleich damit beginnen. Je mehr Stunden ihr trainiert, desto stärker werdet ihr.«
Und so verbrachten Amy und ich fast den restlichen Nachmittag in der Trainingshalle. Es war sehr anstrengend, doch es lenkte uns beide von meinem nächtlichen Vorhaben ab. Durch das Training konnte ich für einige Zeit mein gefährliches Treffen
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