Mehr Essen - weniger Wiegen
dass Sie statt zwischen ungenießbarer Tollkirsche und lieblich-süßer Esskirsche heute zwischen Pommes und frischen Kartoffeln, zwischen Wiener Würstchen und magerem Fleisch wählen müssen.
Um wirklich gut entscheiden zu können, sollten Sie sich natürlich etwas näher mit dem Essen beschäftigen und ein paar grundlegende Dinge über Herkunft, Herstellung und Inhaltsstoffe des heutigen Nahrungsangebots wissen. Das war vor 20 000 Jahren nicht anders: Wer besonders fit beim Jagen und kenntnisreich beim Sammeln, Zubereiten und Konservieren von Nahrung war, brachte seine Sippe einfach besser durch.
Der Mensch ist nicht für den Überfluss konstruiert
Was unsere Vorfahren auszeichnete, waren ausgeprägtes Know-how und geschärfte Sinne für gehaltvolle Speisen. Nach der Jagd, so erzählt Loren Cordain, hätten sich Fred Feuersteins Zeitgenossen wohl zuerst auf die Eingeweide und das Gehirn des erlegten Tieres gestürzt, am liebsten »frisch aus dem Antilopenschädel serviert«. Schließlich benötigten sie große Mengen an Fett und Proteinen. Und je besser ihr Körper diese Kalorienflut speichern konnte, desto größer war die Wahrscheinlichkeit,
die nächsten Kräfte zehrenden Jagden und Hungerperioden zu überstehen.
Unsere Realität sieht heute anders aus. Anstatt Kalorien zu bunkern, müssen wir lernen, unsere Energiezufuhr zu regulieren. Denn wir haben zwar den Appetit und die Fettspeicher eines Großwild jagenden Marathonläufers geerbt, bewegen uns aber kaum mehr als eine Schildkröte in freier Wildbahn. Summiert man alle Wege des modernen Durchschnittsdeutschen, kommen pro Tag oft nur ein paar Hundert Meter zusammen – dabei schlagen der Kantinengang und der Weg zur Kaffeemaschine oder zum Kühlschrank schon recht ordentlich zu Buche.
Wenn wir aber keine Antilopen mehr über Savannen jagen, sondern am Grillstand ein fertig gebrutzeltes Hähnchen abholen, sollten wir unsere Kalorienzufuhr auf diesen Komfort einstellen. Der athletische Steinzeitmensch hätte ohne Probleme jeden Tag einen Hasen oder eine Ente allein verschlingen können. Bei unserem geringen Aktionsradius reichen einige kleinere Fleischportionen pro Woche, weil wir uns auch mit Obst, Gemüse und Milchprodukten den Bauch vollschlagen können. Fatalerweise stehen uns heute mit massenhaft kohlenhydratreichen Nahrungsmitteln zusätzliche Energielieferanten zur Verfügung, die uns das Leben schwer machen. Denn mit dem Erfolg der intensiven Landwirtschaft, ihrer Nahrungsmittelflut und den zunehmend vorgefertigten Speisen schlagen wir uns mit einem Problem herum, das der Urmensch nicht kannte: Übergewicht.
Wie Zucker den Geschmack verdirbt
Der dramatisch ansteigende Zuckerverbrauch hat unser Geschmacksempfinden darüber hinaus massiv irritiert. Bei bitteren und beißend schmeckenden Speisen reagieren wir intuitiv: Wir spucken sie aus, weil wir sie für giftig oder verdorben halten. Der Geschmacksreflex bei Süßem ist dagegen bei den meisten Menschen pervertiert – sie sind geradezu süchtig danach.
Dass Menschen extrem Gesüßtes eigentlich eklig finden, entdeckten Forscher beim Nachwuchs heutiger Naturvölker. »Wir haben Kindern solcher Stammeskulturen süßen Kuchen angeboten, und sie haben ihn sofort ausgespuckt, weil er ihnen viel zu süß war«, macht Loren Cordain unsere heutige Geschmacksverirrung deutlich. Ähnliche Ergebnisse lieferte ein einmaliges Experiment aus dem Jahr 1926. Damals wurde bei drei Babys über Monate untersucht, wie sie sich ihre Nahrung zusammenstellten, wenn man ihnen die Auswahl selbst überließ. Eine solche Versuchsanordnung wäre heute als unverantwortlich einzustufen, aber das Ergebnis war dennoch sensationell: Die teilweise erst neun Monate alten Kinder suchten sich unter einem breiten Angebot an tierischen und pflanzlichen Produkten, die frisch zubereitet waren – etwa Milch, Äpfel, Bananen aber auch Orangensaft, Erbsen und gegartes Fleisch –, eine optimale »Diät« heraus, die allen Anforderungen gerecht wurde. Das Ergebnis macht deutlich: Babys haben offenbar eine Art biologische Disposition für eine bedarfsgerechte Ernährung, die ihnen erst durch das gestörte Essverhalten der Eltern abtrainiert wird.
Die natürliche Essensklugheit bekommen Säuglinge offenbar
im wahren Wortsinn mit der Muttermilch eingeflößt. Die festen Bestandteile der Primärnahrung aus der Mutterbrust setzen sich aus 60 Prozent Kohlenhydraten, 30 Prozent Fett, 8,4 Prozent Eiweiß und 1,6 Prozent Mineralstoffen und
Weitere Kostenlose Bücher