Mein 24. Dezember
Ein seltsamer Tag
Meine Familie dreht durch, wirklich. Ich liege harmlos auf dem Teppich im Wohnzimmer. Alle viere weit von mir gestreckt. Sonst bückt sich immer mal einer und streichelt mich. Aber heute stolpern sie nur über mich. Außerdem reißen sie ständig die Tür auf, rennen rein und raus wie wild, rufen: »Weg da! Aus dem Weg, Flocki!« Flocki, das bin ich. Leider. Ob sie krank sind? Ich mach mir Sorgen um sie. Sie kommen mir so völlig anders vor als sonst.
Da poltert schon wieder jemand über den Flur und stößt die Wohnzimmertür auf. Ach, der Große ist es. Papa nennen sie ihn. Papa, Mensch, fall nicht über mich! Schon passiert. Knurr ich ihn an? Ne, lieber nicht. Sonst knurrt er zurück. Das kann er gut und ziemlich laut.
Was schleppt er denn ins Wohnzimmer, der Papa? Einen Baum. Was will er hier mit dem Nadelding? Soll das zum Verheizen sein? Nein, das glaube ich nicht. Meine Familie heizt immer mit Öl, soviel ich weiß.
Da fällt es mir ein. Er hat den Baum bestimmt für mich geholt, damit ich bei der Kälte nicht mehr rausmuss, um mein Bein am nächsten Straßenbaum zu heben. Ist der lieb, der Große! So ein schöner Baum und ganz für mich alleine. Vor Dankbarkeit springe ich auf und renne zum Baum. Den will ich sofort mal ausprobieren. Leider keift der Papa: »Lass das! Der ist nicht für dich!«
Ach so . . . jetzt bin ich aber beleidigt. Schwanz eingekniffen und unter das Sofa gekrochen. Ich möchte wirklich wissen, was er mit dem grünen Ding anfangen will.
Das erfahre ich nicht, denn der Papa rennt gerade ganz eifrig raus. Hat der es schon wieder eilig! Mich und den Baum lässt er alleine im Wohnzimmer zurück.
Hm ... ob ich ihn doch mal ausprobiere und mein Bein hebe? Ach ne, ich traue mich nicht. Aber genau beschnüffeln werde ich den Baum. Ich krieche unter dem Sofa vor und will zu ihm. Was liegt denn da auf dem Teppich im Weg? So eine Unordnung!
Das Ding habe ich bisher noch nie gesehen. Klein und grün ist es. Und es hat so etwas Ähnliches wie Füße. Vier Stück. Oben ist es offen. In die Öffnung steckt man wahrscheinlich was. Ich probier's mal mit meiner Nase.
Hm, es riecht. . . irgendwie nach altem Baum.
Ob es laufen kann, das grüne Ding mit Füßen?
Ich stupse es an und knurre kurz.
Kühl ist es. Das spüre ich an der Schnauze. Und es läuft überhaupt nicht. Keinen Zentimeter. Ich glaube, es ist aus Metall!
Na, wenn es nicht laufen mag, trage ich's. Ich nehme es zwischen die Zähne. Oh ... ist das schwer! Jetzt zerre ich es über den Teppich und unter das Sofa. Ehrlich, es schmeckt gar nicht.
Der Papa wird bestimmt froh sein, dass das geschmacklose Ding nicht mehr im Weg liegt. Er könnte leicht darüberstolpern.
Gleich wird er mich loben, der Papa. Schließlich habe ich aufgeräumt. Schon höre ich seine Schritte. Er klingt sehr sportlich.
Ich lege mich auf meine alte Teppichstelle, denn er soll mich nicht übersehen. Im nächsten Moment rennt der sportliche Papa ins Wohnzimmer. He! Nicht so eilig! Und zack . . .
stolpert er wieder über mich. So eine Bescherung!
Ich jaule sehr laut, damit er mich zum Trost streichelt. Und loben soll er mich ja auch, weil ich aufgeräumt habe.
So . . . der Jauler war laut genug. Na los, bück dich, Großer! Streichle mich! Aber nein, er denkt nicht daran. Er knurrt nur wieder. »Lieg nicht im Weg! Verschwinde!« Ein unfreundlicher Kerl. Ich flüchte unter das Sofa zu dem geschmacklosen grünen Metallding mit den vier Füßen.
Was hat der Papa denn jetzt wieder? Aufgeregt guckt er hin und her. In jeder Ecke stöbert er, nur unter dem Sofa nicht. Dazu murmelt er:
»Eben war er doch noch hier.« Dann öffnet er die Wohnzimmertür und ruft zur Mama in die Küche: »Hast du den Ständer für den Baum weggenommen?«
Einen Ständer für den Baum sucht er? Oh .. . der Baum kann nicht mehr alleine stehen. Armer Kerl. Ob sie ihn deswegen reingeholt haben? Ich weiß nicht. Und ich weiß auch überhaupt nicht, wo der Ständer für den Baum sein könnte. So ein Ding kenne ich nicht. Die Mama ruft, dass sie auch nicht weiß, wo er steckt. Helf ich dem Papa beim Suchen? Naja, gut, ich tu's, obwohl er heute wirklich gar nicht nett zu mir ist.
Hilfsbereit springe ich unter dem Sofa vor. Aber der Papa ruft nur: »Flocki fehlt mir gerade noch. Verschwinde! Los!«
Eben habe ich ihm noch gefehlt, jetzt zeigt er zum Badezimmer. Dorthin soll ich immer, wenn ich im Weg bin. Ich will aber nicht. Die Fußbodenfliesen sind nämlich so
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