Mein Amerika: Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit
dazu, dass jeder fünf Dollar gab, und dann mieteten sie eine möblierte Wohnung in einer coolen Gegend der Stadt, die als Dogtown bekannt war und sich in der Nähe der Drake University befand. Sie brachten das ganze Bier mit dem Auto aus Froelichs Keller in die neue Wohnung. Dort tranken Katz und Bekins an sieben Abenden der Woche, und wir übrigen kamen auf ein Schlückchen nach der Schule und auf längere Sitzungen an den Wochenenden vorbei.
Drei Monate später war das Bier alle, und Katz fuhr mit einem kleinen Trupp Spießgesellen wieder in die Stadt. Wieder verbrachten sie einen Sonntag damit, den Güterwagen eines anderen Biervertriebs zu leeren. Als ihnen drei Monate später der Gerstensaft erneut ausging, wagten sie sich noch einmal dorthin, diesmal aber vorsichtiger, weil sie überzeugt waren, dass jemand nach zwei großen Raubzügen die Bierlagerhäuser genauer im Auge behalten würde.
Erstaunlicherweise war dem offenbar nicht so. Nur gab es diesmal keine Güterwagen, sondern sie mussten die Türfüllung aus einer der Türen zum Ladebereich des Lagerhauses herausschlagen und durch das Loch hineinschlüpfen. Im Inneren war mehr Bier, als sie je auf einmal gesehen hatten – auf Paletten zu riesigen Stapeln aufgeschichtet und fertig zur Auslieferung am Montag an Bars und Läden im mittleren Iowa.
Sie arbeiteten nonstop, rekrutierten viele willige Helfer und beluden an dem Wochenende ein Auto nach dem anderen mit Bier aus dem langsam sich leerenden Lagerhaus. Froelich chauffierte sachkundig einen Gabelstapler und Katz dirigierte den Verkehr. Ein ganzes wundersames Wochenende konnte man ein paar Dutzend Highschool-Schüler sehen – wenn sich jemand die Mühe gemacht hätte, hinzuschauen –, die Unmengen Bier aus dem Lagerhaus holten, es quer durch die Stadt fuhren, eine Kette bildeten und es in ein leicht windschiefes, verrottetes Mietshaus an der Ecke 23rd Street/Forest Avenue trugen. Als es sich herumsprach, tauchten auch Jungs von anderen Highschools auf und fragten, ob sie ein paar Kästen haben könnten.
»Klar«, sagte Katz großzügig. »Es ist für alle reichlich da. Stellt euer Auto dort ab und versucht, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.«
Es war der seit Jahren größte Raub in Des Moines, vielleicht sogar der größte überhaupt. Leider beteiligten sich dann so viele Leute daran, dass in der Stadt jeder unter zwanzig wusste, wer dabei gewesen war. Wer der Polizei einen Tipp gab, erfuhr man allerdings nie, doch bei einer Razzia im Morgengrauen drei Tage nach dem Diebstahl verhaftete sie zwölf der Haupttäter und nahm sie in Handschnellen mit zum Verhör in der Stadt. Katz war natürlich dabei.
Es waren brave Jungs aus guten Elternhäusern. Ihre Eltern waren peinlichst berührt, dass ihre Sprösslinge so vorsätzlich die Gesetze gebrochen hatten. Sie holten teure Anwälte, die im Nu mit der Staatsanwaltschaft aushandelten, dass man die Anklage fallen lassen würde, wenn Namen genannt würden. Nur Katz’ Eltern verhandelten nicht. Sie konnten es sich nicht leisten und fanden es eigentlich auch nicht in Ordnung. Außerdem musste jemand den Kopf hinhalten – man kann nicht alle Schuldigen davonkommen lassen, meine Güte, was wäre denn das für ein Strafrechtssystem? –, man musste sich auf einen Sündenbock einigen, und die Wahl fiel einstimmig auf Katz. Er wurde des schweren Diebstahls angeklagt, eines Verbrechens, auf das eine Strafe von mehr als einem Jahr stand, und zwei Jahre in eine Besserungsanstalt gesteckt. Wir sahen ihn erst im College wieder.
Ich kam mit knapper Not durch die Highschool. Ich brüstete mich sogar stolz damit, dass ich in allen drei Jahren die meisten Fehlzeiten hatte und mich in der elften Klasse sogar dadurch auszeichnete, dass ich häufiger fehlte als ein Junge mit einer tödlichen Krankheit, wie mir Mrs. Smolting, meine Tutorin und Berufsberaterin, mit unermüdlich warnender Stimme versicherte. Mrs. Smolting hasste mich mit einer Inbrunst, die über »flammend« weit hinausging.
»Also, ehrlich, William«, sagte sie mit dem Ausdruck unverhohlener Verachtung eines Tages, nachdem wir uns durch eine lange Liste möglicher Berufe, unter anderem Staubsaugerreparateur und ambulanter Verkäufer, gearbeitet und zu ihrer absoluten Genugtuung festgestellt hatten, dass es mir für ausnahmslos alle an Rückgrat, den erforderlichen Schulnoten, der intellektuellen Gedankenstrenge und den elementarsten Fähigkeiten zur Körperpflege mangelte. »Augenscheinlich bist du
Weitere Kostenlose Bücher