Mein bis in den Tod
wie die meisten Tage«, aber sie sagte: »Ganz okay. Gut.«
Er nickte schweigend. Nach einigen Augenblicken sagte er: »Ich liebe dich, Faith. Ich könnte ohne dich nicht leben. Das weißt du doch, oder?«
Ja, dachte sie. Und das ist ein großes Problem.
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2
D er kleine Junge stand in einer Gasse im Dunkel, das jenseits des Lichts der Straßenlaterne lag. Es war eine warme Septembernacht. Über ihm fiel der schwache Schein einer Glühbirne durch den Vorhangspalt hinter einem offenen Fenster.
Auf der Straße beschleunigte ein Auto, und er drückte sich flach gegen die Mauer. Ein Gang wurde gewechselt, dann fuhr es vorbei. Irgendwo weiter unten auf der Straße lief im Radio ein neuer Song mit dem Titel »Love Me Do«. Er rümpfte die Nase, wegen des Gestanks, der aus den Mülltonnen neben ihm drang.
Ein Windstoß bauschte die Vorhänge, und ein Lichtstrahl huschte über die fensterlose Seitenmauer neben ihm. Irgendwo in der Nähe bellte ein Hund, dann war es still. Und in dieser Stille hörte er eine Frauenstimme. »O ja, oh, ja, ja! Fester, fick mich fester, oh, ja, o ja, o ja!«
In der rechten Hand hielt der Junge einen schweren rechteckigen Ölkanister mit einem runden Drehverschluss und einem dünnen, scharfkantigen Metallgriff, der ihm schmerzhaft in die Handfläche schnitt. Auf der Seite standen die Wörter SHELL OIL . Der Kanister roch nach Automotoren. Er enthielt fast fünf Liter Benzin, das er aus dem Tank des Morris seines Vaters abgesaugt hatte.
In seiner Hosentasche hatte er ein Päckchen Streichhölzer.
In seinem Herzen loderte Hass.
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3
R oss’ Sperma tröpfelte zwischen ihre Beine. Faith lag schweigend da und horchte auf das Plätschern seines Urinstrahls. Graues Tageslicht drang durch die offenen Vorhänge, die Umrisse der dicht belaubten Buchen erhoben sich am Horizont. Im leicht verstellten Radiowecker liefen die Nachrichten, düstere Meldungen über Tote im Kosovokrieg. Dann ein Blick auf die Uhr: 6.25, Mittwoch, 12. Mai.
Sie griff nach ihren Kontaktlinsen, nahm das kleine Behältnis in die Hand und öffnete den Deckel. In zwanzig Minuten musste sie Alec wecken, ihm Essen machen, ihn zur Schule fahren, und dann …?
Die Übelkeit, die sie in den letzten Tagen verspürt hatte, war heute Morgen anscheinend schlimmer, und ihr kam ein Gedanke.
Schwanger?
O nein, bitte nicht
.
Ein Jahr nach Alecs Geburt hatten sie versucht, ein zweites Kind zu bekommen, aber es hatte nicht geklappt. Nach einem weiteren Jahr hatte Ross Tests machen lassen, die gezeigt hatten, dass bei ihr alles in Ordnung war. Offenbar lag das Problem bei ihm, doch er wollte das nicht akzeptieren und weigerte sich standhaft, einen Spezialisten aufzusuchen.
Zunächst hatte Faith sich darüber geärgert, doch mit der Zeit hatte sie es als eine Art Segen empfunden. Sie liebte Ross über alles, aber er war schwierig, und zwar ständig, außerdem war sie so energielos gewesen, dass sie mit einem weiteren Kind wahrscheinlich gar nicht fertig geworden wäre.
Und ihr war auch klar, dass sie größtenteils deshalb an ihrer Ehe festhielt, weil sie sich ein Leben ohne Alec nicht vorstellen konnte. So depressiv, wie sie war, hätte Ross es niemals zugelassen, dass Alec bei ihr blieb, und allein wäre sie in ihrem Zustand vermutlich nicht sehr gut mit ihm zu Rande gekommen. Dabei bestand an Ross’ Liebe zu Alec nicht der geringste Zweifel. Doch diese Liebe würde sich auf Alec auswirken. Zudem trug er Ross’ Gene in sich. Vielleicht konnte sie ja durch liebevolle Erziehung das Gute in ihm hervorbringen, das er von Ross geerbt hatte, und das Schlechte abmildern.
Aus dem Badezimmer rief Ross: »Was ziehst du heute Abend an, Liebling?«
Schnell schaltete sie innerlich um. »Ich dachte an das dunkelblaue Kleid – das von Vivienne Westwood, das du mir geschenkt hast.«
»Kannst du es mal kurz überziehen?«
Sie zog es an. Er kam aus dem Badezimmer, stand da, nackt, mit nassen Haaren, Zahnbürste im Mund, und musterte sie. »Nein. Das passt nicht. Zu aufreizend für heute Abend.«
»Mein schwarzes von Donna Karan – das aus Taft?«
»Zeig mal.«
Er ging ins Bad zurück, kam wieder heraus, Rasierschaum im Gesicht, ein Streifen sauber rasiert.
Sie drehte sich zu ihm um.
»Nein – das eignet sich besser für einen Ball. Heute Abend – das ist nur ein Dinner.« Er marschierte zu Faiths Kleiderschrank, ging schnell die Bügel durch, zog ein Kleid heraus und warf es auf die Chaiselongue, dann noch eins und noch
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