Mein geliebter Ritter
Prolog
Louvre, Paris
Dezember 1420
»Was ist, wenn wir erwischt werden?«, fragte Jamie und kontrollierte den Palastkorridor in beide Richtungen.
Erwischt werden war genau das, was sie wollte, doch das würde Linnet Jamie nicht verraten. Sie sah ihn unter halb gesenkten Wimpern an. »Willst du es nicht?«
Als seine Augen dunkel wurden, stockte ihr der Atem.
»Du weißt, dass ich es will.« Er strich mit den Fingerknöcheln über ihre Wange.
Ihre Haut kribbelte, als er sie berührte. Wenn sie nicht aufpasste, könnte Jamie sie ihr eigentliches Ziel vergessen lassen.
Sie verspürte einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil sie es ihm nicht erzählte. Keiner der anderen jungen Männer am Hof würde sich darum scheren, aus welchem Grund sie ihn in ein leeres Schlafzimmer zerrte. Aber Jamie würde sie abweisen, wenn er ihren Grund kannte. Diese sture Auffassung von Ehre, so fehl am Platz sie manchmal auch war, war einer jener Charakterzüge, die sie am meisten an ihm mochte.
»Alle sind bei den Feierlichkeiten«, versicherte sie ihm.
König Heinrichs triumphaler Einzug in Paris in Begleitung seiner französischen Prinzessin ging mit Festlichkeiten einher, die sich durch die gesamte Adventszeit zogen.
»Aber der Gast, dem dieses Zimmer zugeteilt worden ist, könnte jederzeit zurückkommen«, gab Jamie zu bedenken.
Er atmete zischend ein, als sie einen Finger an seinem Brustkorb hinabwandern ließ.
»Wenn du ein ängstliches Mäuschen bist«, sagte sie, »kann ich mir auch einen anderen suchen.«
Jamies jungenhafte Schüchternheit war sofort verschwunden, er griff nach ihrem Arm und riss die Schlafzimmertür auf. Plötzlich stand sie im Innern des Schlafgemachs, und ihr Rücken wurde gegen die Tür gedrückt. Jamie küsste sie lang und hart.
»Sag, dass du niemals mit einem anderen Mann gehen wirst«, sagte er und packte ihr Kinn. »Sag es.«
»Du bist der Einzige, den ich will.« Das war die Wahrheit, aber sie befürchtete, er würde mehr hineininterpretieren, als er sollte.
»Mir geht es genauso«, flüsterte er und lehnte die Stirn an ihre.
Sie schloss die Augen und atmete seinen Geruch ein, während sie sich an ihn schmiegte. Er konnte so zärtlich sein.
Aber sie wusste nicht, wie viel Zeit ihr blieb. »Jetzt«, flüsterte sie in sein Ohr. »Ich möchte es jetzt tun.«
Als sie obendrein die Hand auf seine Männlichkeit legte, stieß er ein Geräusch aus, das eine Mischung aus Knurren und Stöhnen war, und hob sie hoch. Männer waren so leicht zu manipulieren, sie waren kaum eine Herausforderung. Trotzdem war Jamies Reaktion erfreulich.
Während er sie zum Bett trug, erlaubte sich Linnet einen Augenblick daran zu denken, wie verärgert ihr »Vater« Alain wäre, wenn er wüsste, was sie hier trieb.
Doch in dem Augenblick, da Jamie sie aufs Bett legte und anfing, sie zu küssen, vergaß sie Alain und ihren Racheplan. Diesen Ansturm von Gefühlen konnte sie nicht kontrollieren, versuchte es nicht einmal. Seit jenem Tag, an dem er mit dem König in Paris eingeritten war, hatte ein Feuer zwischen ihnen gebrannt. Egal, wie oft sie sich davonstahlen, um beieinander zu sein, das Feuer brannte nur noch heller. Sie gab sich ihm wie immer rückhaltlos hin.
Danach lag sie in Jamies Armen und wünschte sich, die Zufriedenheit des Augenblicks könnte andauern. Doch das tat sie nie.
»Ich habe meinen Eltern einen Brief geschickt«, sagte Jamie, wobei er die Wange an ihrem Scheitel rieb. »Ich nehme an, mein Vater wird mir zu unserer Verlobung ein wenig Land schenken.«
Ihr Herz fing an zu rasen. »Verlobung? Du hast mir gegenüber nie eine Verlobung erwähnt.«
»Musste ich das denn?« Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. »Nach allem, was wir miteinander erlebt haben, dachte ich, es wäre selbstverständlich.«
»Aber du hast mich nie gefragt.«
»Das ist natürlich ein großer Fehler«, sagte er und klang amüsiert. »In Ordnung, dann lass mich also fragen: Meine liebste Linnet, Liebe meines Herzens, willst du mich heiraten und meine Frau werden?«
»Nein, das will ich nicht.«
»Was?« Jamie setzte sich auf und beugte sich über sie. »Es tut mir leid, wenn ich dich beleidigt habe, indem ich nicht früher offen mit dir gesprochen habe. Du weißt doch, dass ich dich liebe.«
»Das sagen Männer die ganze Zeit.«
»Aber ich meine es auch«, sagte er und rieb mit dem Daumen über ihre Wange. »Ich werde dich auch dann noch lieben, wenn deine Schönheit nur mehr eine Erinnerung auf deinem Gesicht
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