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Mein Herz ruft deinen Namen

Mein Herz ruft deinen Namen

Titel: Mein Herz ruft deinen Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Tamaro
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heißt, sondern nur einen kleinen Teil – die verweigerten Liebesbeweise, die unterbliebene Zärtlichkeit, das nicht gezeigte Verständnis, das ewige, sinnlose Schmollen, die Sturheit, die nur von sich selber zehrt.
    In den letzten Augenblicken ihres Lebens, dessen bin ich mir sicher, hätte meine Mutter meinem Vater gern einen ganzen Zwinger voller Hunde geschenkt, aber zu spät.
    Zu spät.
    Erst wenn wir älter werden, erkennen wir die Schwere mancher Worte, und alles, was wir versäumt haben – ob nun aus Oberflächlichkeit, aus Egoismus oder aus Eile –, beginnt unser Herz zu beschweren, aber der Augenblick ist vergangen und kehrt nicht zurück.
    Ich hätte mich auf die Seite meines Vaters stellen und ihm helfen können, einen Hund zu bekommen, ich hätte mehr Zeit mit ihm und seinen Geschichten verbringen können; anstatt ungeduldig zu schnaufen, hätte ich Fragen stellen können, hätte mich für einen Augenblick in ihn hineinversetzen können, anstatt mich nur um mich selbst zu drehen.
    Aus sich selbst herausgehen. Liegt nicht darin das Geheimnis, um dem »zu spät« zu entgehen? Doch wenn man es begreift, ist das Leben leider schon zu weit fortgeschritten.
    Zu weit.
    Zu spät.
    Zu viel Bitterkeit.
    Zu viel Schmerz.
    Zu viel vermeidbarer Schmerz.

7
    Mit der Zeit habe ich gelernt, die Menschen schon am Schritt zu erkennen. Kaum tauchen sie am Rand der Wiese auf, ahne ich, wie viel Ballast sie mit sich herumtragen. Natürlich hilft es mir, dass ich so lange Arzt gewesen bin. Bei jedem Menschen sehe ich die Anamnese voraus – was bisher stattgefunden hat und was noch folgen könnte –, doch hier oben ist noch etwas hinzugekommen. Die langen Monate der Einsamkeit, die stillen Nächte, die Naturgeräusche als einzige Gesellschaft haben in mir eine andere Form der Wahrnehmung geschärft.
    Wenn ich mir das Unglück der Menschen anhöre, die mich aufsuchen und mit mir sprechen, frage ich mich oft, ob dir die heutige Welt gefallen hätte – diese Welt, die immer in Eile ist, voller überflüssiger Dinge, gefangen in einer Vulgarität, die jeden Atemzug verpestet. Das Erste, was dich irritiert hätte, wäre zweifellos der Lärm gewesen, da bin ich mir sicher. Unter allen Formen von Gewalt ist diese am subtilsten, am verheerendsten.
    Erinnerst du dich, wie du davon sprachst, dass man Kindern das Zuhören beibringen muss? »Wenn du ihnen beibringst zuzuhören, gibst du ihnen einen Halt. Wenn die Ohren unaufmerksam sind, weht es sie beim ersten Windhauch davon. Die Stille, die alle so sehr fürchten, gibt es in Wirklichkeit gar nicht, jeder Ort hat seine Stimme«, pflegtest du zu sagen. »Man muss nur lernen zuzuhören.«
    Die Kinder waren deine Leidenschaft. Da muss man anfangen, um die Welt zu verändern, wiederholtest du immer. Mir kamen die Bücher, die du lasest, damals überspannt vor. Ich erinnere mich an eines über Schwangerschaft. Mir genügte schon, was ich aus den medizinischen Texten lernte, aber du bestandest darauf, dass, was ich lernte, nur die äußere Schale sei, unter der sich alles wirklich Wichtige verberge. Jenem Text zufolge musste man im Wasser gebären. Wenn ich einwandte, dass selbst die Seehunde dazu an Land gingen, fingst du an zu lachen. »Die Seehunde schreiben ja auch keine Göttliche Komödie ! Hast du dich nie gefragt, warum du du bist und ich ich? Das passiert alles da drin, in diesen Monaten. Die Kinder suchen sich die Eltern, die sie zum Aufwachsen brauchen.«
    Ich sprach von Physiologie, von Genetik, und du sprachst von Dingen, die auf keine Weise messbar waren. Viele deiner Überlegungen hielt ich für reine Ausgeburten deiner blühenden Phantasie. Stets musstest du aus der Realität etwas Außergewöhnliches machen, und ich konnte dir nicht immer folgen.
    Nur ein Mal haben wir uns ernsthaft gestritten, weißt du noch? Du warst einige Tage zu deiner Mutter gefahren, und ich hatte deine Abwesenheit genutzt, um dir eine Überraschung zu bereiten. In wenigen Monaten sollte unser erstes Kind auf die Welt kommen, und ich hatte beschlossen, das Kinderzimmer herzurichten, und arbeitete glücklich und mit Begeisterung.
    Bei deiner Rückkehr habe ich voller Stolz die Tür zum Kinderzimmer geöffnet, und anstatt dich zu freuen – wie du es meiner Ansicht nach hättest tun müssen –, bist du blass geworden. »Wie bist du denn auf diese Idee gekommen«, hast du gezischt, die Augen zu Schlitzen verengt.
    »Ich wollte dich überraschen.«
    »Wie bist du auf die Idee gekommen, Rot

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