Mein Herz ruft deinen Namen
zu nehmen? Rot für das Zimmer unseres Kindes! Weißt du, wozu man Rot benutzt? Um Stiere zu reizen! Weißt du, was Rot für eine Farbe ist? Die Farbe von Blut und Gewalt! Das Baby wird die Augen öffnen und nur Blut um sich herum sehen, Blut, Blut, Blut, weil dieser Idiot von einem Vater …«
Wütend bin ich dir ins Wort gefallen: »Untersteh dich, mich so zu behandeln! Ich habe drei Tage lang gearbeitet, um es schön zu machen!«
»Aber wieso rot? Wieso?«
»Um das Zimmer weder rosa noch hellblau zu streichen, weil jetzt alle rot nehmen und auch weil es fröhlich ist, deshalb.«
»Fröhlich? Fröhlich?«, hast du mit tränenerstickter Stimme wiederholt. »Fröhlich! Die Farbe des Blutes ist fröhlich! Du kapierst nichts, einfach gar nichts!« Dann bist du zusammengesunken und hast dich auf den Boden gekauert.
»Du bist es, die nichts kapiert!«, habe ich geschrien und türenschlagend das Zimmer verlassen.
Das war die einzige Nacht, die wir in derselben Wohnung in zwei verschiedenen Betten geschlafen haben. Ich war überrascht und beleidigt von deiner Reaktion, dass du meinen guten Willen nicht verstanden hattest, meinen Wunsch, dich glücklich zu machen. Du dagegen warst betrübt, weil du entdeckt hattest, dass dein Mann – der Vater deines Kindes – mit seinem Verstand und seinem Herzen nicht über einen bestimmten Punkt hinauskam. Dahinter warst du allein, und du wusstest, dass du dich in dieser Einsamkeit mit deinen Gespenstern auseinandersetzen musstest.
Am nächsten Morgen wurde ich von Lärm geweckt. Du standest schon in dem Kinderzimmer auf einem Schemel und warst dabei, die feuerroten Regale abzumontieren, die ich gerade mit so viel Liebe angebracht hatte.
Ich war verlegen und beschämt. Warst du mir noch böse? War etwa zwischen uns etwas zerbrochen, was nicht mehr gutzumachen war?
Mit dem Schraubenzieher in der Hand hast du dich zu mir umgedreht – dein Gesicht zeigte die Spuren einer schlaflosen Nacht – und mir ein Zeichen gemacht, mich zu nähern, so als wärst du eine Königin auf dem Thron, die eine Audienz gewährt.
»Bitte dein Kind um Verzeihung«, hast du herrisch gesagt, doch deine Augen lachten. Daraufhin bin ich zu dir gegangen und habe deinen Bauch geküsst.
»Verzeihung«, habe ich gesagt und einen Kniefall angedeutet.
»Verzeih deinem Vater, der, wie alle Männer, eine Menge Dinge nicht versteht … und der alles tun wird, damit du besser wirst als er.«
»Ich werde alles tun«, habe ich wiederholt, »damit du ein bisschen besser wirst als ich.«
Später sind wir gemeinsam die neue Farbe kaufen gegangen. Du hast gleich auf Grün gesetzt. Nach langen Gesprächen – die hauptsächlich in deinem Kopf abliefen – hast du dich für ein helles, aber nicht zu blasses Grün entschieden.
»Diese Farbe hat das Maigras«, hast du gesagt, »wenn die Natur sich dem Leben öffnet.«
Du hast auch den Namen für unser Kind ausgewählt. Du warst dir sicher, dass es ein Junge werden würde, und mein Vater, die Hände zart auf deinen Bauch legend, hatte es dir bestätigt.
»Ein Junge, bestimmt ist es ein Junge.«
»Davide. Er soll Davide heißen.«
»Ist das ein Name aus deiner Familie?«, hat meine Mutter gefragt.
»Nein«, hast du erwidert. »Es ist der Name eines Königs. Unser Sohn wird ein König.«
Die Schwangerschaft verlief ohne alle Probleme. Ich war viel besorgter als du. Pass hier auf, pass da auf, sagte ich, lass uns noch diese Untersuchung machen oder jene. »Warum beruhigst du dich nicht?«, schlugst du gutmütig vor.
»Weil ich weiß, was alles passieren kann.«
Doch auch die Geburt war für dich mühelos. Zu meinem Entsetzen wolltest du zu Hause gebären. »Wieso«, sagtest du provozierend, »hätte ich sonst einen Arzt geheiratet?«
»Arzt ja, aber nicht Geburtshelfer.«
»Wir rufen eine Hebamme.«
Und so ist es gewesen. Die Geburt fand nicht in der Badewanne statt, wie du dir erträumt hattest, sondern in deinem Bett. Geboren werden und sterben muss man am selben Ort, wiederholtest du. Dir graute vor Krankenhäusern. Nie hättest du es ertragen, dein Kind im kalten Licht der Neonlampen zur Welt zu bringen, mit all dem Lärm, dem Stahl und der Eiseskälte rundherum. Doch am allerwenigsten hättest du es ertragen, sofort von deinem Kind getrennt zu werden. Direkt nach der Geburt, sagtest du, braucht das Kleine nur eines – die Wärme seiner Mama; und wenn es die nicht spürt, wird es – zu Recht – als Erstes denken, dass die Welt ein Ort des
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