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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
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einige seit der Schulzeit wenig verändert. Da gab es die Streberin, die Dicke und die Unscheinbare. Ich war auch früher schon eher der Kategorie «ganz nett» zugeordnet worden. Das reichte, um zu einigen Geburtstagspartys eingeladen zu werden, reichte aber nicht, um im Freibad mit den coolen Mädels abzuhängen, in deren Nähe die Jungs aus den höheren Klassenstufen ihre Handtücher ausrollten.
    Heute war mir Sylvias Fankreis natürlich ganz recht. Die Königin hatte gerufen, und elf Freundinnen, wenn man sie denn so nennen konnte, waren gekommen. Alle Körbchen- und Konfektionsgrößen vorhanden. Die dicke Birte, die in der Schule konsequent als Letzte in die Sportmannschaften gewählt worden war, hing immer noch an Sylvias Lippen, als würde diese gleich das Geheimnis des ewigen Lebens verraten. Sie hatte sich ebenfalls den Body Modell
Chantal
in Blau herausgesucht.
    «Birte, das ist nun wirklich nichts für dich, guck dir mal den hohen Beinausschnitt und diese schmalen Trägerchen an! Das verlangt nach einer trainierten Figur, meine Liebe. Ilse, sag doch auch mal was. Du bist doch hier die Fachfrau.» Feingefühl war noch nie Sylvias Stärke gewesen.
    Die moppelige Birte lief rot an und hängte Modell
Chantal
wieder auf die Kleiderstange. Katrin und Susanne, die Sylvia vermutlich bei der Kosmetikerin oder auf einer Botox-Party kennengelernt hatte (beide ebenfalls Marke Hungerhaken mit dicken Lippen und ohne Mimik), kicherten und schenkten sich von dem billigen Prosecco nach.
    «Ach, das würde ich so nicht sagen», versuchte ich gegenzusteuern. «In einer dunklen Farbe streckt der Body ja auch. Am Bauch ist der Stoff etwas verstärkt, das formt außerdem ein wenig. Aber vielleicht willst du das hier mal anprobieren?» Ich zog für Birte das Ensemble
Monique
(beim Top betont ein Spitzeneinsatz das Dekolleté, und 88 % Nylon und 12 % Elasthan sorgen für einen hervorragenden Tragekomfort) von der Stange. Ein schlichtes schwarzes Hemdchen mit breiten Trägern und tiefem Ausschnitt und einem dazu passenden Hüftslip. «Ganz tolles Material und gerade im Angebot, weil das Modell durch ein anderes abgelöst werden soll.»
    «Zeig mal her, was soll das denn kosten?» Noch bevor meine ausgestreckte Hand mit Modell
Monique
auch nur in Birtes Nähe kam, grabschte Sylvia dazwischen. «Ach nee, das ist nichts für mich, da sauf ich ja drin ab, viel zu weit geschnitten.» Sie reichte das Set an Birte weiter, die schweigsam damit in Richtung Schlafzimmer taperte, das wegen des großen Spiegels an der Einbauschrankwand heute zum Umkleidezimmer erkoren worden war.
    Birte tat mir leid. In der Schule war sie als Klassenbeste – und mit ihren strohigen, kurzen braunen Haaren gleichzeitig Unattraktivste – immer Außenseiterin gewesen. Jetzt war sie mit Heiko verheiratet und Mutter dreier Söhne. Heiko war auch in unserer Klasse und schon damals ein echter Nerd gewesen, zu dem alle nur nett waren, wenn sie ein Problem mit ihrem Atari-Computer hatten. Inzwischen leitete er die Entwicklungsabteilung eines Handy-Herstellers in Berlin und verdiente mehr Geld als mein lieber Gatte und Sylvias Mann zusammen. Ihre drei Jungs zwischen elf und fünfzehn Jahren gingen alle aufs Gymnasium und hatten neben Birtes Intelligenz auch ihre strubbeligen braunen Haare geerbt. Und einmal in der Woche ging Birte mit Sylvia und einigen anderen Ehemaligen zur Gymnastik im Sportverein.
    Ich hielt mich von derartigen Aktivitäten seit jeher fern. Ein echter Albtraum: Erst zusammen in einer Schulklasse, im Konfirmandenunterricht und in der Jugend-Volleyballmannschaft, dann alle gemeinsam an der Uni. Dieselben Gesichter später im Geburtsvorbereitungskursus, beim Mutter-und-Kind-Turnen und beim Kindergarten. So würde es dann weitergehen, über den Kegelclub bis zum Seniorenskat. Herzlichen Dank, ohne mich. Genau weil ich das nicht wollte, war ich ja aus Flensburg weggegangen, damals zunächst nach Hamburg. Inzwischen hatte mich dieser erste Schritt nach Falkensee gebracht, also fast nach Berlin.
    Toni und ich hatten in unserer Nachbarschaft neue Freundschaften geschlossen, auch mit Menschen außerhalb von Berlin oder Brandenburg. Wir trafen uns mit seinen Kunden und Kollegen und waren auch mal zu zweit zufrieden. Denn Abende, an denen wir ganz unter uns waren, gab es ohnehin nur selten.
    Aus meiner alten Schulklasse existierte nur eine, die wirklich für mich zählte: meine Freundin Elissa. Schon vor dreißig Jahren waren wir unzertrennlich gewesen,

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