Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
hatte, stand es verloren in einer entfernten Kellerecke und verstaubte.
Jedes Mal, wenn ich der Truhe ansichtig wurde, nahm ich mir vor, sie aufarbeiten zu lassen, um sie in unserer Eingangshalle als Blickfang zu dekorieren. Bislang jedoch war ich über diesen Vorsatz nie hinausgelangt. Eine Schlamperei, die mir an jenem Tag gerade recht kam.
Gerhard Meinhard die Kellertreppe hinunterzuwuchten gestaltete sich weit schwieriger, als ich vermutet hatte. Ich schleifte ihn an den Beinen hinter mir her, so dass Kopf und Oberkörper ein dumpfes Geräusch verursachten, wenn sie in der rhythmischen Gleichmäßigkeit meiner Schritte mit den Stufen Kontakt aufnahmen.
Wäre ich eines dieser supersensiblen Gemüter, denen schon allein bei dem Gedanken an einen gebrochenen oder ausgekugelten Arm schlecht wird, hätte sich eine solche Aktion aus reinem Selbstschutz verboten.
Nun bin ich zwar durchaus empfindsam, weiß jedoch, wann diese Eigenschaft kontraproduktiv wird und nicht mehr zu vertreten ist. Meistens jedenfalls weiß ich das. Und das ist gut so.
Mein Umgang mit der Leiche mag also so manchem pietätlos erscheinen. Doch bleiben wir sachlich: Der Kontakt mit den Treppenstufen konnte keinen Schaden mehr anrichten. Tot ist tot. Ob man es nun gut findet oder nicht, eine solche Tatsache kann man nicht ändern, nur anerkennen. Nichts anderes tat ich. Zumal der Transport der Leiche gewiss kein Zeitvertreib war, der spurlos an mir vorüberging. Im Gegenteil.
Meinhards Übergewicht, das schon zu seinen Lebzeiten beträchtlich gewesen war, nahm mir nun den Atem und am ersten Absatz der Kellertreppe hielt ich inne. Was noch kurz zuvor mein Kunde gewesen war, verursachte mir einen Anfall von Kurzatmigkeit, schmerzende Waden und Arme sowie Schweißperlen auf der Stirn. Mit anderen Worten: Ich stand kurz davor, zu schwitzen wie ein Fitnessjunkie beim Gewichtestemmen. Sie wissen schon, jene besonders harten Jungs mit dem ausladenden Kreuz und dem unproportional kleinen Kopf, die mit zusammengebissenen Zähnen und hervorquellenden Augen mehr an Kilogramm stemmen, als sie selbst auf die Waage bringen.
Nun quollen mir die Augen selbstverständlich nicht aus den Höhlen, doch die Pause ignorierend, arbeitete mein Körper auf Hochtouren weiter. Mein Deodorant war der vitalen Kraft meiner Schweißdrüsen nicht gewachsen und versagte endgültig. Der unangenehme Geruch beleidigte meine Nase, während klebriger Schweiß die Achselhöhle hinabrann, durch das T-Shirt und anschließend in den Stoff meines Kostüms drang, dem damit ein Ausflug in die Reinigung garantiert wurde. Und wer würde die zusätzliche Arbeit haben und es hinbringen müssen? Ich. Ist ja wohl klar, oder?
Nachdem sich Atem und Puls etwas beruhigt hatten, schleppte ich Gerhard Meinhard weiter die Treppe hinunter.
Hinter mir hörte ich das stupide Klacken, mit dem der Kopf auf den Stufen aufschlug. Ich versuchte das unheimliche Geräusch zu ignorieren, konzentrierte mich auf das Klappern meiner Highheels und langte endlich unten an.
Wider Erwarten war es ebenfalls ein unangenehmer und Kräfte zehrender Akt, den stämmigen Mann in der Truhe unterzubringen. Obgleich ich jede Reserve aus meinen nur mäßig trainierten Armmuskeln herauskitzelte, gelang es mir nicht, Meinhard vollständig hineinzuzwängen. Der Mann war schlicht zu groß, zu fett und zu ungelenk.
Kopf und Hals gebärdeten sich am widerborstigsten. Ich wollte den Kopf zwischen den nach vorn zusammengezogenen Schultern in eine Ecke quetschen, scheiterte aber an der von zu viel Kalkablagerungen ungelenken Halswirbelsäule.
Im Eifer des Gefechts riss ich schließlich unwillig und ungeduldig mit beiden Händen am Hinterkopf, bis ich, ein Büschel eisgrauer Haare in der Hand und auf der Kopfhaut eine kleine, kahle Stelle hinterlassend, frustriert von ihm abließ.
Ich warf die Haare achtlos auf den Fußboden und verordnete mir eine weitere Pause, um das Problem zu durchdenken. Ich hatte nicht vor, mich wie eine Idiotin aufzuführen. Es verstieß gegen mein Selbstwertgefühl.
Mehrmals umschritt ich die Truhe und suchte nach einer Möglichkeit, Meinhards Kopf doch noch in eine Ecke zu quetschen. Vergeblich. Nach kurzem Überlegen positionierte ich schließlich Gerhard Meinhards Hals auf dem Truhenrand, das Gesicht nach oben gerichtet. Seine Augen waren weit geöffnet und starrten mich an. Ich sah den sinnentleerten Blick, ohne ihn wirklich wahrzunehmen.
In einem Umzugskarton, der in einer anderen Ecke des Kellers
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