Die Braut des Freibeuters: Er beherrschte die Meere - doch sie war die Herrin seiner Sinne (German Edition)
1. Kapitel
England 1779
M ach, dass du weiterkommst, verdammter Hurensohn!«
Robert McRawley geriet ins Stolpern, als der Soldat ihm sein Gewehr in den Rücken stieß, doch er fing sich im letzten Moment, drehte sich mit einem gereizten Knurren um und war schon drauf und dran, dem Kerl an die Kehle zu gehen, als ein harter Griff am Arm ihn zurückhielt.
Das vor Erschöpfung graue Gesicht seines Ersten Maats Finnegan war dicht vor ihm. »Nicht, Captain, das hat keinen Sinn.«
»Hast du Angst?« Der fast lippenlose Mund des Soldaten war zu einem höhnischen Grinsen verzogen. »So greif mich doch an! Los, trau dich! Was glaubst du wohl, welche Freude es mir machen wird, einen von euch Hunden abzuknallen. Los! Mach schon!«
Finnegans Griff verstärkte sich. »Captain …«
Robert atmete tief durch, warf dem Soldaten, der ihn herausfordernd ansah, einen verächtlichen Blick zu und schleppte sich dann mühsam weiter. Man hatte ihn und Finnegan mit Fußeisen aneinandergefesselt, und die schwere Kette klirrte bei jedem Schritt.
»Verdammter Feigling«, tönte es gehässig in seinem Rücken. »Ihr seid doch alle gleich.«
»Selbst ein verdammter Feigling«, hörte Robert seinen Freund neben sich murmeln. »Möchte ich sehen, den Mistkerl, wenn er ohne sein Gewehr vor mir stünde.« Finnegans sonst so gepflegter grauer Bart war struppig, verklebt von Schmutz und Regen, und seine Augen lagen tief in den Höhlen. Er ging etwas vornübergebeugt und hielt den rechten Arm an die Brust gepresst. Die Verletzung an der Schulter, die er sich bei dem letzten Kampf, kurz vor ihrer Gefangennahme, zugezogen hatte, war immer noch nicht verheilt und bereitete ihm starke Schmerzen. Finnegan war ein harter Mann, der durchaus einiges einstecken konnte, aber diesmal setzte ihm die Wunde ebenso zu wie der Dreck, die Anstrengung und das schlechte Essen.
Wenn man diesen Fraß überhaupt noch Essen nennen konnte. Robert verzog unwillkürlich den Mund bei dem Gedanken an das schimmelige Brot und den madendurchsetzten Brei, den sie vor zwei Tagen bekommen hatten. Er war lange genug auf See gewesen, um keine großen Ansprüche an das Essen zu stellen und sich nicht an einigen Würmern zu stören, aber mit solcher Todesverachtung hatte er noch niemals etwas so hinunterwürgen müssen wie in den letzten beiden Monaten in diesem englischen Gefängnis. Dabei konnten sie sich noch glücklich schätzen, wenn sie überhaupt etwas erhielten. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass man Gefangene einfach hätte verhungern lassen.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Robert voller Sorge seinen Freund. Finnegan sah zum Gotterbarmen aus. Er hätte gutes Essen und einige Tage Ruhe nötig gehabt und vor allem ärztliche Behandlung. Als er seine Wunde am Vortag untersucht hatte, um sie vorsichtig zu reinigen und mit einem etwas weniger schmutzigen Fetzen zu verbinden, war sie voller Eiter gewesen, mit roten, entzündeten Rändern. Nicht mehr lange, und der Wundbrand würde in seiner Schulter und schließlich in seinem Arm wüten und dann … Dabei war die Verletzung anfangs gar nicht so schlimm gewesen, ein glatter Durchschuss von einer englischen Musketenkugel. Normalerweise keine große Sache für einen Mann wie seinen Ersten Maat.
Robert knirschte mit den Zähnen, während er neben Finnegan dahinstolperte. Fünfundzwanzig seiner Leute waren mit ihm gefangen genommen worden, als er versucht hatte, das englische Schiff zu entern. Sechs davon waren schon tot, elend zugrunde gegangen an ihren Verletzungen, und der Rest sah so aus, als würde er den anderen bald folgen.
Man hatte sie gleich nach der Gefangennahme in eines der Gefängnisse im englischen Kriegshafen Portsmouth geworfen. Später waren sie weiter ins Landesinnere verlegt worden, und nun waren sie seit zwei Tagen zu Fuß unterwegs nach Dover, um dort im Austausch gegen englische Matrosen freigelassen zu werden.
Anderen war gelungen, was eigentlich sein Plan gewesen war, nämlich das Schiff zu entern und die Leute darauf festzunehmen. Bisher schmorten über fünfhundert amerikanische Seeleute in englischen Verliesen, und die einzige Chance, sie wieder freizubekommen, war, sie gegen gefangene Engländer auszutauschen. Dabei hatte er jedoch gründlich versagt und damit nicht nur seine Leute in Tod und Gefangenschaft geschickt, sondern sogar sein Schiff verloren. Allerdings wäre es nicht so weit gekommen, wenn Malcolm, dieser verdammte Bastard, nicht mit der Independence auf und davon gesegelt
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