Mein Name ist Toastbrot (German Edition)
schwarze Szene hingegen gingen wir weiterhin, kannten einige Jungs und Mädels und man kannte uns. Peer konnten wir verständlicherweise nicht überzeugen, uns zu begleiten. Der machte es sich lieber mit einer guten Flasche Wein in seinem Massagesessel bequem und schaute sich Dr. House oder Boston Legal an.
Wir lernten in der Zwischenzeit viel über Medizin und Biochemie. Peer erklärte uns die Inhalte seiner Texte und wir überarbeiteten diese mit dem besonderen Augenmerk auf die Verständlichkeit. Waren wir durch, stellten wir die Inhalte so vor, wie wir diese verstanden hatten. Er korrigierte und fügte immer öfter Änderungsvorschläge von uns ein. In dieser Zeit lernten wir praktisches Englisch. Vorträge konnten wir bald einwandfrei zweisprachig halten. Wissenschaftler fühlen sich genötigt, alles in dieser Fremdsprache auszudrücken. Wie zahlreich die Gedanken sind, die durch diesen Zwang aufgrund fehlender Sprachkompetenz verloren gehen, erscheint mir erschreckend.
In den Ferien arbeiteten wir in seinen Labors und durften Peers Doktoranden unterstützen. Western Blots, Transfektionen und andere Methoden, wurden uns vertraut. Wir lernten unter anderem nachzuweisen, ob eine Zelle mit dem HIV infiziert ist, oder erschufen künstliche Tumorzellen.
Zum ersten Mal erlebte ich in dieser Zeit, dass die geistige Anstrengung befriedigen kann und ich liebte es, von Menschenumgeben zu sein, die auf einem Gebiet weit mehr wussten als ich selbst. Hatte ich eine Frage beantwortet, gab es bereits die Nächste.
Über Lehrtexte in Büchern und Artikel in Journals tastete ich mich unter Anleitung von Peer immer näher an einen Sachverhalt heran, für den es noch keine passende Antwort gab. Sobald man dann alles Wesentliche, was zu dem Thema publiziert und beschrieben wurde erfasst hat, sieht man sich selbst plötzlich in der Lage Antworten geben zu können. Ich war überzeugt, einen Beitrag zur Beschreibung der HIV-Protease leisten zu können. Im Wesentlichen versuchte ich als einer von Vielen eine Kombination von Aminosäuren zu finden, auf welche die Protease anspringen würde. Das verlief grob gesagt nach dem Zufallsprinzip. Gezeigt hätte sich mein Erfolg durch das Fluoreszieren meines Präparats. Irgendwie passierte aber gar nichts.
Zur ganzen Wahrheit gehört aber mehr. War die Wissenschaft an sich auch ein sehr spannendes Gebiet, waren die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft eine Katastrophe. Ich begriff allzu deutlich, wie krank dieser ganze Wissenschaftsbetrieb ist, und was Peer letztlich von der Glückswolke geschupst hatte. Seine Doktoranden durchleben die Hölle. Sie arbeiten gut 50 Stunden in der Woche und werden gerade mal für 20 bezahlt. Die Arbeitsgruppenleiter waren in der Regel frustrierte altgediente Wissenschaftler, die ihre Träume vergraben hatten, als sie erkannten, dass sie trotz ihrer Habilitation und der Opfer, die sie gebracht hatten, den Professorenthron nicht mehr besteigen würden. Es zählen nur Publikationen und lieber publizierte man Mist und fälschte ein paar Daten, als schweigen zu müssen. Kreative Prozesse wurden derb durch neue Forschungsprojekte kastriert, die andere Themen in den Vordergrund rückten.
Unser Leben hatte sich inzwischen zu etwas sehr Positivem entwickelt. Wir lebten ohne materielle Zwänge, mit viel Liebe und Leidenschaft und voller Glück.
Irgendwann kam dann der große Tag. Mein Forschungsprojekt zeigte konkrete Ergebnisse, die darin bestanden, dass meine Versuche erfolglos geblieben waren. Die Daten trugen wir zusammen und schickten Sie an diverse wissenschaftlicheZeitschriften. Tatsächlich erhielten wir ein positives Feedback, sollten aber einen ellenlangen Katalog mit weiteren Versuchen und anderen Schikanen nachlegen. Hiervon blieb ich verschont, was meiner überschwänglichen Freude keinen Abbruch tat.
Zu meiner ersten Co-Autor Publikation hatten sich Peer und Conny was ganz Besonderes einfallen lassen. Sie organisierten ein Gartenfest. Eingeladen waren unsere Freunde und Feinde aus dem Labor, einige wenige Bekannte aus der Schule, eine Handvoll Jungs aus der schwarzen Szene und Hans. Mein gesamtes Umfeld, samt der Menschen, die mir etwas bedeuteten, waren anwesend. Natürlich fehlte da noch jemand. Andrea und Eugen schlossen mich in die Arme und ich konnte mich fallen lassen. Ich konnte die beiden fest drücken und sie mich. Ich glaube das war einer der ersten Momente meines Lebens, in dem ich mich einfach ganz normal fühlte. Eugen war mittlerweile
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