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Meine Kinderjahre

Meine Kinderjahre

Titel: Meine Kinderjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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alsbald alles wie mit Zauberschlag zu beleben, und das Treiben am Strom hin zeigte, daß die Zeit zur Ausfahrt wieder nahe sei. Dann wurde der Schiffskörper auf die Seite gelegt, um ihn auf etwaige Schäden hin besser untersuchen zu können, und waren diese gefunden, so sah man, am anderen Tage schon, an der betreffenden Bollwerkstelle kleine, mit Holzspänen und zerfaserten alten Tauenden unterhaltene Feuer, in deren Mitte das Pech in eisernen Grapen brodelte. Ganze Haufen von Werg daneben. Und nun begann der Prozeß des Kalfaterns. Kam dann Mittagszeit heran, so wurde noch eine Pfanne mit Kartoffeln und Speckstücken in die Glut geschoben, und viele, viele Male, wenn ich um diese Stunde hier meines Weges zog, sog ich begierig den appetitlichen Qualm ein, an dem mich der Pechbeisatz nicht im mindesten störte. Noch jetzt nähre ich mich, oder doch wenigstens meine Nerven, mit Vorliebe von dem Erdpechqualm, der mitunter durch unsere neu zu asphaltierenden Berliner Straßen zieht.
    Um die Frühjahrs- und Sommerzeit setzte sich dann auch der mitten im Strome liegende englische Dampfbagger wieder in Tätigkeit, dem es oblag, das Fahrwasser zu verbessern, und dessen aus der Tiefe heraufgeholte Erd- und Schlickmassen an einer flachen Stelle des Stromes ausgeschüttet und aufgetürmt wurden, um hier eine künstliche kleine Insel entstehen zu lassen. Ein paar Jahre später stand sie schon hoch in Rohr und Schilf und trägt jetzt wahrscheinlich Häuser und Etablissements der Marinestation, allen denen, die das erste Drittel des Jahrhunderts noch gesehen, den Wechsel der Zeiten und das Wachsen unserer Machtstellung bezeugend.
    Halbe Stunden lang sah ich, wenn ich konnte, der Arbeit des englischen Baggers zu, dessen Ingenieur, ein alter Schotte namens Macdonald, mein besonderer Gönner war. Daß ich, ein Menschenalter später, seinen schottischen Clan bereisen und auf der Insel Icolmskill, unter Führung eines Macdonald, an die Stelle treten würde, wo nach alter Annahme König Macbeth begraben liegt – wer mir das damals gesagt hätte!
    Und wie dem Baggern, so sah ich auch dem Anlegen der Schiffe zu, wenn diese von weiten Fahrten heimkamen, einzelne (wie die »Königin Luise«, ein Seehandlungsschiff) von ihren Reisen um die Erde, was damals noch etwas bedeutete. Mein Hauptschiff aber war der »Mentor«, von dem es hieß, daß er einen Kampf mit chinesischen Seeräubern siegreich bestanden habe. Die Seeräuber führten ein langrohriges Metallgeschütz mit sich, das besser schoß als die rohen, gußeisernen Kanonen, von denen der »Mentor« etliche an Bord hatte. Dazu war das Piratenboot viel schneller, und so kam denn unser Swinemünder Kauffahrer alsbald in eine schlimme Lage. Der Kapitän aber wußte sich zu helfen. Er ließ all seine großen Böller an die eine Seite des Schiffes schaffen und mäßigte jetzt die Fahrt absichtlich, um den Verfolgern das Näherkommen leichter zu machen. Und nun war ihr Boot auch wirklich heran, und die Piraten trafen schon Anstalt, von der einen Seite her das Schiff zu ersteigen. Da gab der Mentor-Kapitän das verabredete Zeichen, und mit aller Kraft und Schnelligkeit rollten jetzt die Böller von der einen Schiffsseite nach der andern hinüber und schlugen, durch die dünne Wandung hindurch, auf das unten haltende, schon siegessichere Boot, das nun, von der Wucht der schweren eisernen Kanonen in Stücke gebrochen, mit Mann und Maus zugrunde ging 3 .
    Solche Geschichten waren immer in der Luft und knüpften nicht bloß an die Schiffe, sondern gelegentlich auch an die Häuser an, die den Schiffen gegenüber an der anderen Seite des Bollwerks lagen. Weiter flußabwärts aber verloren sowohl diese Häuser wie die Geschichten ihren Reiz, bis, erst ganz am Ende der Stadt wieder, ein etwas zurückgelegenes, großes Gebäude das Interesse noch einmal in Anspruch nahm. Dies war das erst seit kurzem errichtete »Gesellschaftshaus«, das nicht bloß den Vereinigungsplatz für die Badegäste, sondern, solange die Saison anhielt, auch für die städtischen Honoratioren bildete, von denen vielleicht keiner öfter hier zur Stelle war als mein Vater. Dieser häufige Besuch galt nun freilich nicht eigentlich dem »Gesellschaftshause« selbst, am wenigsten den darin zur Aufführung kommenden Konzerten und Theaterstücken, der gelegentlich stattfindenden Bälle ganz zu schweigen – nein, was ihn anzog und mitunter schon zur Frühschoppenzeit hinausführte, das war ein dicht neben dem Gesellschaftshause

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