Der Barbar aus den Highlands
1
Schottland – Sommer 1480
D u siehst nicht wie ein Toter aus, auch wenn du vielleicht versuchst, wie einer zu riechen.«
Angus MacReith starrte den jungen Mann, der sich vor seinem Bett aufgebaut hatte, finster an. Artan Murray war groß, stattlich und attraktiv. Artans Vater hat seine Sache gut gemacht, dachte Angus. Weit besser als all seine näheren Verwandten, die keine Kinder hatten oder nur solche wie den jungen Malcolm, den sie ihm ins Haus geschickt hatten. Angus’ Blick verfinsterte sich weiter, als er an diesen Burschen dachte – der Kerl war feige, habgierig und unzuverlässig. Doch in Artans Venen floss ebenfalls das Blut der MacReiths, und bei ihm zeigte sich das auch, genau wie bei seinem Zwillingsbruder Lucas. Erst in diesem Moment ging Angus auf, dass Artan allein an seinem Bett stand.
»Wo steckt der andere?«, fragte er.
»Lucas hat sich das Bein gebrochen«, erwiderte Artan.
»Schlimm?«
»Gut möglich. Als mir dein Bote über den Weg lief, war ich gerade auf der Suche nach denjenigen, die ihm das angetan haben.«
»Weißt du denn, wer es war?«
»Ich habe eine gewisse Vorstellung, eine ziemlich klare sogar.« Artan zuckte mit den Schultern. »Ich werde sie aufstöbern.«
Angus nickte. »Da bin ich mir ganz sicher. Glaubst du, dass sie sich erst einmal verkrochen haben?«
»Aye. Aber wenn ein bisschen Zeit verstrichen ist und ich nicht gekommen bin, um mich zu rächen, werden sie sich bald sicher fühlen. Es wird mir ein großes Vergnügen sein, ihnen zu zeigen, wie sehr sie sich irren.«
»Du bist ziemlich gemein, Artan«, meinte Angus bewundernd.
»Danke.« Artan lehnte sich an den Bettpfosten. »Ich glaube nicht, dass du im Sterben liegst, Angus.«
»Es geht mir nicht gut.«
»Das mag schon sein, aber im Sterben liegst du nicht.«
»Was weißt du schon davon?«, grummelte Angus und rappelte sich so weit auf, dass er sich auf die Kissen fallen lassen konnte, die Artan ihm rasch hinter den Rücken gestopft hatte.
»Du weißt doch, dass ich ein Murray bin. Ich bin fast mein ganzes Leben lang von Heilerinnen umgeben gewesen. Es stimmt schon, gut geht es dir nicht, aber ich glaube nicht, dass du sterben wirst. Du musst nur ein bisschen auf dich aufpassen. Jedenfalls riechst du nicht wie jemand, der schon mit einem Fuß im Grabe steht. Du miefst zwar ziemlich, aber es ist nicht der Geruch des Todes.«
»Der Tod hat einen Geruch, noch bevor er die Seele eines Menschen erobert?«
»Aye, ich glaube schon. Aber nachdem du nicht sterben wirst, werde ich mich jetzt wieder auf die Jagd nach den Kerlen machen, die Lucas angegriffen haben.«
Er schickte sich zu gehen an, doch Angus packte ihn am Arm und hielt ihn zurück. »Nay! Du weißt sehr wohl, dass ich sterben könnte; schließlich bin ich schon sechzig. Selbst das kleinste Fieber könnte mich ins Grab bringen.«
Das stimmt natürlich, dachte Artan, während er den Mann musterte, der ihn und Lucas fast zehn Jahre lang unter seine Fittiche genommen hatte. Angus war zwar nach wie vor groß und stattlich, aber manchmal schwächt das Alter einen Körper, ohne dass man es ihm ansieht. Dass Angus mitten am Tag im Bett lag, zeigte, dass ihn etwas Ernstes plagte. Artan fragte sich, ob er sich einfach gegen die Tatsache stemmte, dass Angus alt war und bald sterben würde.
»Dann hast du mich also rufen lassen, damit ich an deinem Sterbebett wache?«, fragte er und runzelte die Stirn, weil er bezweifelte, dass Angus ihn um so etwas bitten würde.
»Nay. Du musst etwas für mich erledigen. Das Sumpffieber oder was es auch sein mag, das mich quält, hat mich dazu gebracht, einzusehen, dass meine Jahre gezählt sind, selbst wenn ich davon genese. Es ist höchste Zeit, dass ich anfange, mir Gedanken zu machen, was getan werden muss, um das Wohl von Glascreag und dem Clan zu sichern, wenn ich nicht mehr da bin.«
»Dann solltest du mit Malcolm sprechen.«
»Pah, dieser Feigling ist nichts weiter als ein Fleck auf dem Namen MacReith. Diesem hinterlistigen Hasenherz würde ich nicht einmal die Pflege meiner Hunde anvertrauen, geschweige denn meiner Ländereien und der Menschen, die hier leben. Er könnte diesen Ort keine zwei Wochen lang verteidigen. Nay, den will ich nicht als meinen Erben.«
»Soviel ich weiß, hast du keinen anderen.«
»Doch, das habe ich, auch wenn ich das bislang nicht an die große Glocke gehängt habe. Jetzt bin ich froh darum. Meine jüngste Schwester hat vor zweiundzwanzig Jahren ein Kind bekommen. Die arme Moira
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