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Meine Kinderjahre

Meine Kinderjahre

Titel: Meine Kinderjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Übergelegtwerden vollkommen verdient hätten, so gebot doch der Korpsgeist, die kleinen Neckebolde nicht im Stich zu lassen. Ich sprang also von dem Sägebock herunter und lief, von etlichen Mitspielenden gefolgt, auf die Kampfesstelle zu, natürlich in der Absicht, den Munk zu packen. Dieser aber, der stark und mutig war, wich mir, offenbar nach einem Plane, den er sich gemacht harre, vorsichtig aus, ja, floh geradezu, so daß mir nichts übrigblieb, als den andern Jungen, der nur zugesehen hatte, zu fassen und niederzuwerfen. Aber nun erschien auch Erich Munk wieder und warf sich mit aller Kraft auf mich, um mich von seinem Freunde loszukriegen, was ihm jedoch nicht glückte, weil ihn die fünf, sechs Jungen, die mir vom Kirchplatz her gefolgt waren, an Armen und Beinen immer wieder von mir wegzerrten. Dabei zerrissen sie ihm die Jacke, was nun die Wut des Jungen aufs höchste steigerte. Er zog jetzt einen rostigen, unten abgebrochenen und dadurch zahnig gewordenen Nagel aus der Tasche, jagte damit die kleine Meute in die Flucht, und nun aufs neue über mich herfallend, stieß er mir den Nagel in den Oberarm. Ich habe noch die Narbe. Da ließ ich nun das unter mir liegende Opfer los, kam in ein Ringen mit Munk und entriß ihm schließlich auch den Nagel, mit dem ich mich nun vor ihn hinstellte, wie wenn ich sagen wollte: »Ich könnte dich jetzt morden, ich will aber nicht.« Dann lachten wir uns gegenseitig verächtlich an und gingen langsam unseres Weges. Eigentlich war ich Sieger geblieben, beide Feinde hatten an der Erde gelegen, und den großen rostigen Nagel, auf den ich nicht wenig stolz war, nahm ich mit nach Hause, wo mein Arm mit Arkebusade gewaschen wurde, was sehr brannte. Ja, ich hatte gesiegt. Aber trotzdem, ich konnte der Sache nicht froh werden und empfand deutlich, daß unserer Herrschaft Tage gezählt seien. Ich sah ganz klar, und die nächsten Tage bestätigten es, daß man auf seiten unserer Gegner willens geworden war, uns ihre Überlegenheit endlich fühlbar zu machen. Es kam nicht eigentlich zu Angriffen, aber wenn wir mit ihnen zusammentrafen, so waren immer ein paar der großen, schon mit auf See gewesenen Jungen zwischen ihnen, die nun beim Vorübergehen ihre schottischen Mützen abnahmen und uns furchtbar tief grüßten. Kein Zweifel, sie wollten uns verhöhnen. Mir wurde unheimlich dabei, und ich dachte an Abrüstung. Aber wie war das zu machen? Und wenn abgerüstet war, war dadurch meine Lage gebessert?
     

Achtzehntes Kapitel
     
Das letzte Halbjahr
    Inzwischen war der Herbst herangekommen, ohne daß sich mein Gemüt in der Zwischenzeit sonderlich beruhigt hätte. Wohl hatte ich Stunden, in denen ichs leichter nahm, aber die Furcht kam immer wieder, und da sich Waffenniederlegung und ähnlich Mutloses nicht empfahl, weil es mir den ersehnten Straßenfrieden doch nicht eingetragen haben würde, so war ich wider meinen Willen gezwungen, mich mit neuen Plänen zu beschäftigen, um in ihnen vielleicht Hilfe zu finden. Ich sann hin und her und fand schließlich zu meiner Beschämung, daß ich, wenn ich mich halten wollte, gezwungen sein würde, die Fortdauer meiner Herrschaft in einer außerhalb meiner Truppe liegenden Hilfsmacht zu suchen, also nach dem Beispiele meiner proletarischen Feinde zu verfahren, die ganz ersichtlich begonnen hatten, sich auf die großen Schiffsjungen mit ihren rotweißblau geränderten Matrosenmützen zu stützen. Ich ging diesem Gedanken eine ganze Weile nach, und weil mir solch Kraftmaterial in meinem Schul- und Freundeskreise nicht zuwuchs, so half nur eines: Anwerbung, Gründung eines Söldnerheers. Das erforderte natürlich Geld. Aber davor erschrak ich nicht; die gute Schrödter, sosehr sie den »Unsinn« mißbilligte, wäre doch schließlich gütig genug gewesen, aus ihren eignen Mitteln alles Nötige herzugeben, und wenn mein Plan trotzdem unausgeführt blieb, so lag dies nur daran, daß mir seine Durchführung, als ich dicht davor stand, doch auch wieder gegen die Soldatenehre war. Ich hatte durch Jahr und Tag hin geglaubt, in erster Reihe durch mich selbst und zum zweiten durch allerlei kleine Künste, denen ich die stolzesten Namen gab, eine Machtstellung einnehmen zu können. Das erschien mir als etwas Besonderes. Blieb mir dies aber in alle Zukunft hin versagt, so hatte das andre keinen Wert mehr für mich und war auf die Dauer voraussichtlich auch nutzlos. Jedes von der andern Seite her bewilligte Glas Wacholder konnte mich sofort wieder

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