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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Präzision des Ausdrucks, deren suggestive Einfachheit man chem wie Harmlosigkeit vorkommen mag, weil er die Dinge selbst, nicht mehr über sie reden hört. Denn nicht die Dinge sind kompliziert, sondern nur ihre Darstellung, sobald man gelhaft Erlebtes formalistisch oder geistreich wettgemacht werden muß. Wir haben uns immer noch nicht abgewöhnt, das Unverständliche für genial zu halten.
    Problematik wird bei Hesse nicht problematisch
    darge stellt. Sie wird nicht erst am Schreibtisch bewußt, sondern ist – als Voraussetzung seines Schreibens – der Niederschrift vorausgegangen. Das läßt sich auch an den Manuskripten seiner Prosawerke erkennen, von denen es in der Regel nur zwei Fassungen gibt, eine Handschrift und die Schreibma
    schinenabschrift für
    den Drucker. Die Handschriften wirken wie unter Dik-tat entstanden, rasch und in einem Guß ge schrieben, ganz selten einmal eine Einfügung oder Korrektur. Im 579
    Moment der Niederschrift ist bei Hesse der Kampf um Inhalt und Form überwunden. So glückt es ihm, ähnlich seinen lebenslang bewunderten Vorbildern, den altchinesi schen Klassikern, das Komplizierteste mit den einfachsten Mitteln auszudrücken, in einer Sprache, in welcher das unbe wußte Bild, die Melodie, ihr zugehö-
    riges Wort zu suchen scheint. Diese, aller Prosa Hesses eigene Musikalität, die na türliche Anmut des scheinbar Leichten und Selbstverständlichen, die Schlichtheit und Unaufwendigkeit der Mittel, so wie die Reichhaltigkeit der Th
    emen, Motive und Details ha ben Hesse einmal
    den Vergleich eingetragen, die Literatur um das be-reichert zu haben, was Mozart der Musik erschlos sen hat. Das scheinbar Mühelose, das den Umweg über den Intellekt beim Publikum nicht voraussetzt und beide Künst ler vergleichbar populär werden ließ, macht eine solche Ge genüberstellung gar nicht so abwegig. Auf Mozarts musikali
    schen wie auf Hesses sprachlichen
    Stil triff t zu, was Hesse 1941 in seinem Gedicht ›Prosa‹
    über einen wesensverwand ten Dichter geschrieben hat:
    »So schlicht, unfeierlich und fast alltäglich / geht seine Prosa! Sie ihm nachzuschreiben / scheint Kinderspiel, doch laß es lieber bleiben, / denn schaust du näher hin, so wird unsäglich, / was harmlos ein fach schien. Aus Nichtigkeiten / wird eine Welt, aus Atem Melodien, /
    die scheinbar zwecklos und vergnüglich gleiten, / doch sich auf andre mahnend rückbeziehen / und neue, nie erwartete vorbereiten. / … Wie er es macht, wie er aus 580
    die sen simpeln / Worten des Tages ohne Zwang und Spreizen / Dichtwerke zaubert voll von tiefen Reizen /
    und Silben tan zen läßt gleich wehenden Wimpeln, /dies, Freunde, werden wir nie ganz verstehen. / Uns sei genug, mit Ehrfurcht zuzu sehen, / so wie wir aufs Gebirg’
    und auf die blauen Falter am Bach und auf die Blumen schauen, / die auch, so scheint es, sich von selbst verstehen, / doch Wunder sind für Augen, welche sehen.« Wie genau Bau und Rhythmus seiner Sätze dem natürlichen Atem angepaßt sind, mag eine Episode illu strieren, die Hesse am 24. 1. 1932 in einem Brief geschildert hat. »Ein Leserurteil, das mich freute, und auf das ich ein we nig stolz war, sprach einmal ein etwa dreizehnjähriges Mädchen aus, das seiner Mutter etwas von mir hatte vorlesen müssen. Es sagte: ›Das ist so fein bei Hesse, daß immer ge rade da, wo man schnaufen muß, ein Komma oder Punkt kommt.‹«
    Die Fähigkeit, Ursachen zu erkennen und ihre Wirkungen sinnlich beim Namen zu nennen, steht und fällt mit der In
    tensität des Erlebten und dem Grad
    der Verletzbarkeit. Diese bestimmen das Ausmaß, in dem Individuelles in Allge
    meingültiges umschlagen
    und psychische Gesetzmäßigkeiten freilegen kann, die auch in der veränderten Umwelt anderer Generationen wiedererkannt und als gegenwärtig erlebt werden.
    Daß konzessionslose Analyse des privaten und indivi-duellen Mikrokosmos nicht gar so unbeträchtliche Rück schlüsse auf den Makrokosmos des Gesellschaft-581
    lichen und Politischen erlaubt, daß sie hellhörig und immun macht ge gen die Gefahren und Einschüchte-rungen des Quantitativen, das zeigen auch Hermann Hesses Erzählungen.
    Doch nicht viel anders als auf seine frühen Erzählungen, deren unstandesgemäße Helden unter der Würde seriöser Rezensenten lagen, hat die deutsche Literatur-kritik der letz ten zwanzig Jahre auf Hesses einfachen Stil reagiert, auf sein Beispiel, nicht mehr vorzutäuschen, als man zu sagen hat: »Auf Kosten der Verständlichkeit und

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