Melodie der Leidenschaft
dass sie ihm an diesem Abend nicht mehr begegnen würde, denn seine Gegenwart verunsicherte sie zutiefst.
Langsam ging sie in die Orangerie, einen vollständig verglasten Wintergarten, in dem es im Vergleich zum stickigen Ägyptischen Raum angenehm kühl war. Mit den prächtigen Zitronenbäumen war es sehr schön hier, und dennoch dachte Ella sehnsüchtig an das Anwesen Kingfisher House, das seit einigen Jahren ihr Zuhause war. Sie blickte auf die Uhr und fragte sich, wann sie die Party wohl verlassen könnte. Als plötzlich jemand aus dem Schatten der Bäume hervortrat, erschrak sie.
„Ich dachte, Sie wären bereits gegangen“, sagte sie nervös.
„Wie schmeichelhaft, dass Sie meine Abwesenheit bemerkt haben, Lady Eleanor.“
Seine tiefe Stimme mit dem russischen Akzent war so erotisch, dass Ella unmerklich erschauerte. In der Orangerie brannte kein Licht, nur die silbernen Strahlen des Mondes fielen durch die gläsernen Wände herein. Deshalb hoffte sie, er würde ihr nicht ansehen, wie heftig sie errötet war.
„Bitte sprechen Sie mich nicht mit meinem Titel an“, sagte sie angespannt. „Ich benutze ihn nie.“
„Ich soll Sie also lieber Ella nennen, so wie Ihre Freunde?“
Als Nicolaj im Halbdunkel lächelte und seine makellosen weißen Zähne zeigte, fühlte Ella sich an ein Raubtier erinnert.
„Wie schön, dass Sie mich als Freund betrachten“, fuhr er gelassen fort. „Damit sind wir in unserer Beziehung einen kleinen, aber bedeutenden Schritt weiter.“
„Wir haben keine Beziehung, in der es einen Schritt vorwärts oder rückwärts oder sonst wohin gehen könnte“, entgegnete sie aufgebracht.
„Eine unbefriedigende Situation, gegen die sich aber leicht etwas unternehmen lässt“, antwortete ihr Gegenüber ungerührt. „Ich habe zwei Eintrittskarten für die Aufführung von Madame Butterfly im Royal Opera House am Donnerstag. Würden Sie mich begleiten? Danach könnten wir gemeinsam essen gehen.“
„Ich fliege Mittwoch nach Köln und trete dort im Opernhaus auf“, erwiderte Ella wahrheitsgemäß. Insgeheim bedauerte sie dies ein wenig – was natürlich nur daran lag, dass die berühmte Puccini-Oper eins ihrer Lieblingswerke war.
Als Nicolaj Alexandrow die Schultern zuckte, fiel ihr unwillkürlich auf, wie breit diese waren. „Gut, dann besorge ich Karten für einen anderen Abend.“
Er hatte das unerschütterliche Selbstbewusstsein eines Mannes, der immer bekam, was er wollte. Sein arrogantes Lächeln brachte Ella auf die Palme. Offensichtlich rechnete er damit, dass sie sich ihm zu Füßen warf. Und bestimmt gab es auch mehr als genug Frauen, die sofort die Chance ergreifen würden, einen Abend mit ihm zu verbringen – und die dann mit demselben Eifer in sein Bett springen würden. Doch sie gehörte nicht dazu. Ella hatte versucht, ihm auf höfliche Art und Weise einen Korb zu geben, aber offenbar musste sie deutlicher werden. „Welcher Teil des Wortes ‚Nein‘ ist eigentlich so schwer zu verstehen?“, fragte sie kühl.
Nicolaj Alexandrow schien keineswegs gekränkt zu sein. Sein Lächeln wurde breiter, und er näherte sich ihr, wobei er sie mit seinem eindringlichen Blick festhielt. Reglos stand Ella da und fühlte sich wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht. Sie war durchschnittlich groß und trug Sandaletten mit fast acht Zentimeter hohen Absätzen. Dennoch überragte er sie deutlich, und sein muskulöser Oberkörper versperrte ihr den Fluchtweg aus der Orangerie.
Die ganze letzte Woche hatte Nicolaj Alexandrow tagsüber ihre Gedanken beherrscht und sich nachts in ihre Träume geschlichen. Und als Ella jetzt sein exotisches Aftershave einatmete, waren ihre Sinne wie berauscht.
„Dieser Teil“, sagte er leise, hob ihr Kinn an und neigte den Kopf, bevor sie überhaupt begriff, was vor sich ging.
2. KAPITEL
„Nein!“ Ellas heiserer Aufschrei wurde erstickt, als Nicolaj fest den Mund auf ihren presste. Seine Lippen fühlten sich betörend und warm auf ihren an, als er sie so gekonnt küsste, dass ihr Herz wie verrückt schlug. Er ließ ihr die Hand vom Kinn zum Nacken gleiten, umfasste mit der anderen ihre Hüfte und zog sie näher zu sich. Dabei übte er keine Gewalt aus, sie hätte ihn also leicht abwehren können. Doch ihr Körper schien plötzlich einen eigenen Willen zu haben und sehnte sich danach, diesem Mann noch näher zu kommen – dem faszinierendsten Mann, dem sie je begegnet war.
Gekonnt zog Nicolaj mit der Zunge den Umriss ihres Mundes nach, was
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