Melodie der Leidenschaft
1. KAPITEL
Auditorium des Louvre, Paris
Es geschah innerhalb von Sekunden. Ein flüchtiger Blick durch das menschengefüllte Auditorium des Louvre – und plötzlich hatte Ella das Gefühl, wie vom Blitz getroffen zu werden.
Der Mann stand in einiger Entfernung von ihr, inmitten einer Gruppe extrem aufgetakelter Französinnen, die um seine Aufmerksamkeit wetteiferten. In den ersten Sekunden, als sich ihre Blicke begegneten, fiel ihr zuerst auf, dass er groß, dunkel und unglaublich attraktiv war. Dann zwang sie sich mit aller Macht, dem durchdringenden Blick seiner tiefblauen Augen auszuweichen. Denn der Fremde sah nicht nur atemberaubend gut aus, sondern konnte ihr auch sehr gefährlich werden, das spürte sie deutlich.
Dass sie so stark auf einen ihr völlig unbekannten Mann reagierte, erschütterte Ella zutiefst. Sie senkte den Blick auf ihr Champagnerglas und merkte, dass ihre Hände zitterten. Mit aller Macht versuchte sie, sich wieder auf ihr Gespräch mit dem Musikjournalisten vom Feuilleton der Paris Match zu konzentrieren.
„Ihre Darbietung des Violinkonzertes Nr. 2 von Prokofjew war absolut herausragend, Mademoiselle Stafford!“
„Vielen Dank.“ Ella zwang sich zu einem Lächeln. Sie spürte noch immer den Blick das unbekannten Mannes auf sich ruhen und musste all ihre Willenskraft aufbringen, um nicht wieder zu ihm hinüberzusehen. Fast war sie erleichtert, als plötzlich Marcus auftauchte, ihr PR-Agent.
„Alle sagen, dass heute Abend ein Star geboren wurde“, berichtete er aufgeregt. „Du hast verdammt toll gespielt, Ella! Ich habe gerade eine inoffizielle Vorschau auf die Konzertkritik von Stephen Hill für die Times bekommen. Ich zitiere: ‚Staffords leidenschaftliches Spiel und ihre technische Brillanz sind einzigartig. Mit ihrer unglaublichen Virtuosität hat sie sich ihren Platz unter den besten Geigern der Welt gesichert.‘ Nicht schlecht, oder?“ Mit einem breiten Lächeln fügte Marcus hinzu: „Komm, du musst jetzt ein bisschen die Runde machen. Hier sind mindestens noch ein halbes Dutzend andere Journalisten, die dich interviewen wollen.“
„Ehrlich gesagt würde ich lieber ins Hotel fahren“, erwiderte Ella.
Sein Lächeln verschwand. „Aber das hier ist doch dein großer Abend!“, protestierte er.
Sie biss sich auf die Lippe. „Ich verstehe ja, dass der Empfang eine tolle Gelegenheit für noch mehr Publicity ist, aber ich bin wirklich müde. Das Konzert war sehr anstrengend.“
Die Musik war Ellas Leben, doch vor jedem öffentlichen Auftritt hatte sie so entsetzliches Lampenfieber, dass sie es kaum aushielt. Manchmal fragte sie sich sogar, ob sie wirklich eine Karriere als Solistin anstreben wollte, denn die Angst machte sie fast krank.
„Du hast es geschafft, ein absolut erstklassiges Publikum zu begeistern“, sagte Marcus eindringlich. „Da kannst du doch nicht einfach verschwinden! Ich habe mindestens zwei französische Minister gesehen, ganz zu schweigen von dem russischen Oligarchen.“ Er blickte über Ellas Schulter und pfiff leise. „Sieh nicht hin, aber Nicolaj Alexandrow steuert direkt auf uns zu.“
Erfüllt von dem Gefühl, sich dem Unvermeidlichen zu fügen, wandte Ella den Kopf – und spürte, wie ihr Herz wie verrückt zu schlagen begann, als sie zum zweiten Mal an diesem Abend in dasselbe Paar stahlblauer Augen blickte.
Der attraktive Fremde ging entschlossen auf sie zu. Reglos stand sie da und betrachtete seine markanten Züge, das tiefschwarze, nach hinten gekämmte Haar.
„Wer ist das?“, flüsterte sie Marcus zu.
„Ein russischer Milliardär. Er hat mit Handys ein Vermögen verdient und besitzt jetzt einen großen Fernsehsender, eine britische Zeitung und ein Immobilienimperium, zu dem halb Chelsea gehören soll – oder ‚Chelski‘ wie manche jetzt sagen“, erklärte Marcus und unterbrach sich dann.
Doch auch ohne das einnehmende Lächeln, das er nun aufsetzte, hätte Ella sofort gewusst, dass der gut aussehende Fremde nun direkt hinter ihr stand. Sie konnte seine Nähe deutlich spüren. Als sein würziges Eau de Cologne ihr in die Nase stieg und ihre Sinne streichelte, stellten sich ihr die feinen Nackenhärchen auf. Seine Stimme war so tief, melodiös und sinnlich wie die Klänge eines Cellos.
„Bitte verzeihen Sie die Störung, aber ich würde Miss Stafford gern zu ihrer heutigen Darbietung gratulieren.“
„Mr Alexandrow“, begrüßte Marcus ihn. „Ich bin Marcus Benning, Miss Staffords PR-Agent. Und das hier …“,
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