Melodie der Leidenschaft
Nicolaj ab, der sie forschend ansah. Hoffentlich hatte er nicht ihre Gedanken erraten!
„Die Party findet Ihnen zu Ehren statt, da verstehe ich natürlich, dass Sie noch bleiben möchten“, sagte er mit spöttischem Unterton. „Nächste Woche bin ich in London, vielleicht können wir dann einmal zusammen abendessen.“
Schnell unterdrückte Ella den verrückten Impuls, seine Einladung anzunehmen. „Leider bin ich nächste Woche sehr beschäftigt.“
„Jeden Abend?“ Alexandrows sinnliches Lächeln ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen. „Was für ein Glückspilz.“
„Wer?“, fragte sie stirnrunzelnd.
„Der Mann, der jeden Abend Ihre Aufmerksamkeit für sich hat.“
„Ich habe keinen …“ Ella unterbrach sich, denn sie hatte unüberlegt mehr Privates preisgegeben, als ihr lieb war. Als ihr Gegenüber sie triumphierend ansah, schrillten Alarmglocken in ihrem Kopf. Zu ihrer großen Erleichterung sah sie in diesem Moment, dass Marcus sie von der Bar aus zu sich winkte.
„Bitte entschuldigen Sie mich, ich glaube, mein Pressesprecher hat ein Interview vereinbart.“ Ella war hin- und hergerissen zwischen ihren guten Manieren und dem Impuls, möglichst schnell auf Abstand zu diesem faszinierenden Fremden zu gehen. „Ich danke Ihnen für die Einladung“, sagte sie schnell. „Aber die Musik nimmt den Großteil meiner Zeit ein, und ich gehe momentan keine Verabredungen ein.“
Nicolaj Alexandrow war unmerklich näher gekommen, sodass Ella nun seine Körperwärme spüren konnte. Sie spannte ihren Körper an und hielt den Atem an, als er ihr jetzt sanft über die Wange strich. „Dann werde ich alles daransetzen, Sie umzustimmen“, sagte er leise, wandte sich um und ging davon. Verwirrt und hilflos blickte sie ihm nach.
London, eine Woche später
Der Garden Room des Amesbury House war erfüllt vom gedämpften Stimmgewirr der Gäste, die sich gerade setzten. Die Mitglieder des Royal London Orchestra hatten ihre Plätze bereits eingenommen, und man hörte das übliche Rascheln der Noten und die leisen Gespräche der Musiker, die sich auf das Konzert einstimmten.
Als Ella ihre Geige aus dem Geigenkoffer nahm und über das glänzende polierte Holz strich, erschauerte sie wohlig. Die Stradivari war ein unschätzbar wertvolles Meisterwerk. Mehrere Sammler hatten ihr schon ein wahres Vermögen für dieses seltene Instrument geboten – genug Geld für ein Haus und ein üppiges finanzielles Polster für den Fall, dass ihre Karriere scheitern sollte. Doch die Geige hatte ihrer Mutter gehört und besaß für Ella deshalb einen großen ideellen Wert. Niemals würde sie sich von ihr trennen.
Sie blätterte durch die Noten auf dem Ständer vor ihr und ging in Gedanken die Symphonie durch. Doch eigentlich brauchte sie die Noten nicht, denn sie hatte nachmittags vier Stunden lang geübt. Ganz in ihrer eigenen Welt versunken, nahm sie die Stimmen der anderen Musiker kaum wahr, bis jemand sie mit Namen ansprach.
„Du bist wohl mit den Gedanken ganz woanders“, stellte ihre Freundin Jenny March fest, die ebenfalls Geigerin war. „Ich sagte: ‚Wie es aussieht, hat eine von uns beiden einen Verehrer.‘ Leider scheine nicht ich die Glückliche zu sein“, fügte sie bedauernd hinzu.
„Wen meinst du?“
Das Orchester hatte bereits mehrmals im Amesbury House im Londoner West End gespielt. Der Garden Room bot Platz für zweihundert Zuschauer, und die Atmosphäre war dort persönlicher als an größeren Veranstaltungsorten. Ella war jedoch die Anonymität der Royal Albert Hall und der Festival Hall lieber. Sie ließ die Augen über die Zuschauer in der ersten Reihe gleiten – und erstarrte, als sie sah, wer nur wenige Meter entfernt von ihr saß.
„Was will der denn hier?“ Schnell wandte sie den Kopf zur Seite – aber nicht schnell genug. Ihre Blicke waren einander begegnet, und sie hatte in die funkelnden Augen des Mannes gesehen, von dem sie die ganze letzte Woche geträumt hatte.
„Kennst du ihn etwa?“, fragte Jenny neidisch. „Der Typ ist einfach atemberaubend. Wer ist das?“
„Er heißt Nicolaj Alexandrow und ist ein russischer Milliardär“, erwiderte Ella widerstrebend, denn sie wusste genau, dass Jenny sie nun den ganzen Abend löchern würde. „Ich bin ihm einmal begegnet, sehr kurz. Aber kennen tue ich ihn nicht.“
„Na ja, offenbar möchte er dich gerne kennenlernen“, stellte ihre Freundin fest und betrachtete Ella neugierig. Lady Eleanor Stafford war bekannt dafür, stets so
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