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Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Titel: Memoiren einer Tochter aus gutem Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Briefchen von Madame Mabille: Zaza war sehr krank; sie hatte hohes Fieber und furchtbare Kopfschmerzen. Der Arzt hatte sie in eine Klinik in Saint-Cloud bringen lassen; sie brauchte Einsamkeit und absolute Ruhe; sie durfte keinen Besuch empfangen: Wenn das Fieber nicht zurückging, war sie verloren.
    Ich traf mich mit Pradelle. Er erzählte mir, was er wusste. Zwei Tage nach meiner Begegnung mit Zaza war Madame Pradelle allein in ihrer Wohnung, als es draußen schellte; sie öffnete und fand sich einem gutgekleideten jungen Mädchen gegenüber, das keinen Hut aufhatte, was zu jener Zeit noch ganz inkorrekt war. «Sie sind die Mutter von Jean Pradelle?», fragte die junge Person. «Kann ich mit Ihnen reden?» Sie stellte sich vor, und Madame Pradelle ließ sie hereinkommen. Zaza blickte sich im Zimmer um: Sie hatte ein kreideweißes Gesicht mit leuchtend roten Flecken auf den Backen. «Jean ist nicht da? Weshalb? Ist er schon im Himmel?» Erschrocken hatte Madame Pradelle ihr gesagt, er werde gleich nach Hause kommen. «Sie verabscheuen mich, Madame?», fragte Zaza weiter. Madame Pradelle verwahrte sich dagegen. «Warum wollen Sie dann nicht, dass wir uns heiraten?» Madame Pradelle tat ihr Bestes, um sie zu beruhigen; es war ihr einigermaßen gelungen, als Jean etwas später eintrat, aber Zazas Stirn und Hände glühten. «Ich bringe Sie nach Hause», hatte er gesagt. Sie nahmen ein Taxi, und während sie zur Rue de Berri fuhren, hatte sie ihn vorwurfsvoll gefragt: «Wollen Sie mich nicht küssen? Warum haben Sie mich niemals geküsst?» Er küsste sie.
    Madame Mabille brachte sie zu Bett und ließ den Arzt kommen; sie sprach sich mit Pradelle aus: Sie wolle ihre Tochter nicht unglücklich machen, sie widersetze sich dieser Heirat nicht mehr. Madame Pradelle widersetzte sich ebenfalls nicht; sie wollte niemandes Unglück. Alles würde ins Reine kommen. Aber Zaza hatte vierzig Grad Fieber und delirierte.
    Vier Tage noch verlangte sie in der Klinik von Saint-Cloud «meine Geige, Pradelle, Simone und Champagner». Das Fieber ging nicht zurück. Ihre Mutter bekam das Recht, die letzte Nacht bei ihr zu verbringen. Zaza erkannte sie und wusste, dass sie sterben würde. «Sei nicht traurig, liebste Mama», sagte sie. «In allen Familien gibt es einen Versager: Dieser Versager bin ich.»
    Als ich sie in der Kapelle der Klinik wiedersah, lag sie zwischen Kerzen und Blumen gebettet da. Sie trug ein langes Nachthemd aus steifer Leinwand. Ihr Haar war noch gewachsen, es umrahmte mit starren Locken ein Gesicht, das so gelb und so mager war, dass ich kaum ihre Züge darin wiederfand. Ihre Hände mit den langen, bleichen Nägeln lagen auf dem Kruzifix gekreuzt und sahen so mürbe aus wie die einer sehr alten Mumie. Madame Mabille schluchzte. «Wir sind nur Werkzeuge in den Händen Gottes gewesen», sagte Monsieur Mabille zu ihr.
    Die Arzte sprachen von Meningitis, von Encephalitis, niemand erfuhr jemals etwas Genaues. Handelte es sich um eine ansteckende Krankheit, einen Unfall? Oder war Zaza einem Übermaß an Müdigkeit und Beängstigung erlegen? Oft ist sie mir nachts erschienen mit ihrem gelben Gesicht unter einer kleinen Glocke aus rosa Filz und hat mich vorwurfsvoll angeschaut. Zusammen haben wir beide gegen das zähflüssige Schicksal gekämpft, das uns zu verschlingen drohte, und lange Zeit habe ich gedacht, ich hätte am Ende meine Freiheit mit ihrem Tode bezahlt.

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    Hinweise
    (Alphabetisch geordnet)
    Achard Marcel, 1900 – 1974 . Theaterdichter.
    Action française , nach der royalistischen Zeitung ( 1908 – 1944 ) benannte Bewegung (s. Maurras).
    Adam Bede , Roman von G. Eliot ( 1859 ).
    Alain , 1868 – 1951 . Philosoph, Lehrer der Generation zwischen beiden Weltkriegen.
    Alain-Fournier , 1886 – 1914 . Schriftsteller. Hauptwerk: «Le Grand Meaulnes».
    Alceste , Figur aus dem «Misanthrope» von Molière.
    Aragon Louis, 1897 – 1982 . Mitbegründer des Surrealismus.
    Arland Marcel, 1899 – 1986 . Schriftsteller und Kritiker.
    Aron Raymond, 1905 – 1983 . Professor für Soziologie an der Sorbonne, Publizist.
    Barrès Maurice, 1862 – 1923 . Patriotischer Schriftsteller.
    Baruzi , Professor für vergl. Religionswissenschaft am «Collège de France».
    Bergson Henri, 1859 – 1941 . Philosoph. Nobelpreis für Literatur  1927 .
    Bréhier , 1876 – 1953 . Professor für Philosophie, Verfasser einer großen «Geschichte der Philosophie».
    Brunschvicg Léon, 1869 – 1943 . Professor für

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