Das Hausbuch der Legenden
Georg Adolf Narcis
Das Hausbuch
der Legenden
Legenden aus aller Welt
Vorwort von
Gertrud von Le Fort
Ehrenwirth
C
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Narciss, Georg A.: Das Hausbuch der Legenden: Legenden aus aller Welt / Georg Adolf Narciss.
Vorw. von Gertrud von LeFort. – München: Ehrenwirth, 1990
Frühere Ausg. u. d. T.:
Narciss, Georg A.: Äpfel aus dem Paradies
ISBN 3-431-03115-3
© 1990 by Ehrenwirth Verlag GmbH, München
Einband: Bernd und Christel Kaselow, München
Gesamtherstellung:
Hieronymus Mühlberger GmbH, Gersthofen
Printed in Germany 1990
Neben christlichen und außerchristlichen Legenden
enthält die ansprechende Sammlung auch einige
Kultlegenden; teilweise sind die ausgewählten
Beispiele nach älteren Vorlagen wiedergegeben, z.
T. jedoch wurden sie vom Herausgeber nach
mehreren Quellen nacherzählt. Ungeachtet anderer
Sammlungen zum Thema kann diese
Zusammenstellung, die erstmals 1965 erschien und
von H.-J. Thümmers allen Büchereien und auch
jungen Lesern empfohlen wurde, ihren Platz neben
anderen Kompilationen (z. B. „Legenden des 19.
Jahrhunderts“) beanspruchen, weil die geschickte
Zusammenstellung von Texten aus allen
Kulturkreisen und die ordentliche Aufmachung
noch immer auf Interesse stoßen werden (daß die
Künstlerin, die die Monotypien für das Buch schuf
– Hilda Sandtner – an keiner Stelle erwähnt wird,
ist ein grobes Versäumnis).
Vorwort
LEGENDE, SAGE UND MÄRCHEN gleichen eigenmächtig
gewachsenen Pflanzen, welche mit ihrem Blütenzauber die sorgsam gepflegten Gärten der historischen Wissenschaft überwuchern. Aber während die Wunderwelt des Märchens überhaupt keine Grenzen des Möglichen anerkennt und die Sage eine beglaubigte Wirklichkeit zum Denkmalhaften überhöht, entfaltet sich in der Legende eine transzendente Welt
– fast alle Legenden tragen religiösen Charakter; viele verklären Geschicke der Heiligen und Märtyrer. Entstanden in jenen Zeiten, da es noch keine Buchdruckerkunst gab, hat die gläubige Phantasie der Völker ihre höhere Bedeutung erkannt und ihnen einen der nüchternen Welt verborgenen Glanz zugebilligt, das heißt, sie hat zum Ausdruck gebracht, was die sichtbare Begebenheit innerlich voraussetzt. Die Legende kann daher auch niemals in das Reich des Unwirklichen verwiesen werden, ihre Wirklichkeit stammt lediglich aus einer anderen Dimension. Für unsere abendländische Welt steht
natürlicherweise die christliche Legende im Vordergrund der Betrachtung. Schon bei der Geburt Christi zu Bethlehem begegnen uns die Magier aus dem Morgenland, welchen die Legende ein königliches Diadem aufsetzt. Der wunderbare Stern, der ihnen leuchtet, durchbricht die strenge Ordnung der Himmelskörper. Wie bei der Geburt des Heilands, so steht die Legende auch an seinem Weg zum Kreuz: dem Schweißtuch der Veronika, welche dem Dornengekrönten die Stirne kühlt, prägt sich dessen Bild für alle Zeiten ein.
Aus der Zeit der ersten verfolgten Christen stammt die erschütternde Legende, die sich an die kleine unscheinbare Kapelle »Domine quo vadis« knüpft. Hier begegnete der vor dem Martyrium flüchtende Petrus seinem Herrn und empfing von ihm die Worte: »Ich gehe nach Rom, um mich zum
zweitenmal kreuzigen zu lassen.« Um den Nachvollzug der Kreuzigung des Erlösers ranken sich zahllose
Märtyrerlegenden, welche das in irdischer Sicht blutige Geschehen in die Glorie eines himmlischen Lichtes tauchen.
Aber zuweilen entzündet der jenseitige Glanz sich schon im Diesseits. Da ist die Gestalt jenes mitleidigen Einsiedlers, der einst in der Wüste einen Löwen von den Schmerzen eines eingetretenen Dorns befreite und dem sich nun in der Arena das dankbare Tier, statt ihn zu zerreißen, zu Füßen schmiegt.
Von der Wandlung im Diesseits berichtet auch die Legende von der Schlacht an der Milvischen Brücke, in welcher der Kaiser Konstantin den Sieg erfocht, nachdem er die römischen Adler von seinen Bannern entfernen und durch das Kreuz ersetzen ließ.
Aber auch die Kreatur wird in den Segenskreis der Legende einbezogen: St. Hubertus erblickt das Kreuzeszeichen über dem Geweih des Hirsches, auf den er eben anlegen will. St.
Antonius predigt den aufmerksam lauschenden Fischen, St.
Franziskus bändigt den Wolf von Gubio. Zum Sonnengesang des heiligen Franziskus gehört die Liebe zur gesamten Schöpfung. Unsere Kirchenglocken – so sagt die Legende –
verdanken ihre Entstehung der Begegnung des
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