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Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Memoiren einer Tochter aus gutem Hause

Titel: Memoiren einer Tochter aus gutem Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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darauf verzichten muss, solche Zeilen wie die gestrigen zu erhalten, ist wirklich hart, Simone. Man muss wahrhaftig an den Wert des Leidens glauben und wünschen, mit Christus das Kreuz auf sich zu nehmen, um sich ohne Murren damit abzufinden; von Natur wäre ich nicht dazu imstande. Aber lassen wir das. Das Leben ist trotz allem wundervoll, ich wäre schrecklich undankbar, wenn ich nicht dennoch in diesem Augenblick von Dankbarkeit überströmte. Gibt es viele Wesen auf der Welt, die das haben, was Sie haben und was ich habe, oder die jemals etwas kennenlernen, was dem zu vergleichen wäre? Ist es aber zu viel verlangt, dass man für dieses köstliche Gut was auch immer, das heißt alles, was unerlässlich ist, solange es nötig sein wird, erleiden muss? Lili und ihr Mann sind im Augenblick hier: Ich glaube nicht, dass es seit drei Wochen zwischen ihnen einen anderen Gesprächsstoff gegeben hat als die Frage ihrer Wohnung und der Kosten, die die Einrichtung mit sich bringen wird. Sie sind sehr nett, ich werfe ihnen nichts vor. Aber welche Erleichterung bedeutet es für mich, jetzt die Gewissheit zu haben, dass es zwischen ihrem Leben und dem meinen nichts Gemeinsames geben wird, zu fühlen, dass ich, obwohl ich nichts besitze, doch tausendmal reicher bin als sie und dass ich in Gegenwart aller dieser Leute, die mir – in gewisser Hinsicht wenigstens – fremder sind als die Steine auf der Straße, nie mehr allein sein werde!›
    Ich riet zu einer Lösung, die mir die einzig gebotene schien: Madame Mabille beunruhigte sich über die unklaren Beziehungen Zazas zu Pradelle. Er brauchte sie nur in aller Form um die Hand ihrer Tochter zu bitten. Als Antwort erhielt ich folgenden Brief: ‹Gestern, als ich aus dem Ariège zurückkam, wo ich zehn in jeder Hinsicht sehr erschöpfende Tage verbracht habe, fand ich Ihren Brief vor, auf den ich schon wartete. Seitdem ich ihn gelesen habe, tue ich nichts anderes, als im Geiste darauf zu antworten und trotz aller Beschäftigungen, der Müdigkeit, trotz alle dem, was mich von außen her umgibt, in aller Ruhe mit Ihnen zu reden. Dieses ‚Außen‘ ist fürchterlich. Während der zehn Tage bei den Brévilles hatte ich Bébelle mit im Zimmer und war nicht eine Minute allein. Ich war derart außerstande, immer einen Blick auf mir ruhen zu fühlen, während ich gewisse Briefe schrieb, dass ich, um es zu tun, warten musste, bis sie einschlief, und zwischen zwei und fünf oder sechs Uhr noch wieder außer Bett war. Am Tage musste ich große Ausflüge mitmachen und, ohne jemals geistesabwesend zu wirken, auf die liebenswürdigen Aufmerksamkeiten und Scherze der Leute antworten, zu denen wir eingeladen waren. Den letzten Seiten, die er von mir bekommen hat, war die Müdigkeit sehr stark anzumerken: Ich habe seinen letzten Brief in einem solchen Zustand der Erschöpfung gelesen, dass ich, wie ich jetzt sehe, manche Stellen falsch verstanden habe. Die Antwort, die ich ihm darauf gegeben habe, hat ihm vielleicht Kummer gemacht; ich fand die Worte nicht, um ihm zu sagen, was ich sagen wollte und musste. Alles das stimmt mich ein wenig traurig; wenn ich mir aber bis heute nicht das geringste Verdienst zuschreiben konnte, so fühle ich doch, dass ich in diesen Tagen eines erwerbe, so viel Willenskraft muss ich aufbringen, um dem Verlangen zu widerstehen, ihm alles zu schreiben, was ich denke, alle die beredten und überzeugenden Dinge, mit denen ich auf dem Grunde meines Herzens gegen die Beschuldigungen Einspruch erhebe, die er unaufhörlich gegen sich selber vorbringt, sowie gegen seine Bitten um Verzeihung, die er unvernünftigerweise an mich richtet. Ich möchte nicht über Sie, Simone, mit P. korrespondieren, das wäre Heuchelei und schlimmer in meinen Augen als ein Verstoß gegen die Beschlüsse, an denen ich nicht mehr zu rütteln habe. Aber ich muss immer wieder an die Stellen seines letzten Briefes denken, auf die ich nicht richtig geantwortet habe und die mir das Herz bedrücken. ‚Sie waren sicher von manchen meiner Briefe enttäuscht.‘ ‚Die Aufrichtigkeit, mit der ich zu Ihnen spreche, wird Sie ermüdet und traurig gestimmt haben‘, und andere noch, die mich furchtbar aufgeregt haben. Sie, Simone, die Sie wissen, wie viel Freude ich P. verdanke und dass jedes Wort, das er mir gesagt oder geschrieben hat, nur immer – weit davon entfernt, mich zu enttäuschen – die Bewunderung und Liebe, die ich für ihn hege, verstärkt und befestigt hat, Sie, die Sie sehen, was ich

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