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Menschen wie Götter

Menschen wie Götter

Titel: Menschen wie Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Snegow
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schon für Götter? Unholde seid ihr, Henker! Ich würde dir in die Augen spucken, Oan, wenn meine Spucke diejenigen träfe, die sich hinter dir verbergen! Ach, ihr Gelangweilten, wie dürstet ihr nach dem Schauspiel unserer Qualen! Und wenn das erwünschte Schauspiel ausbleibt, ihr Verhaßten? Wenn wir trotz allem der kranken Zeit entfliehen? Werdet ihr uns verfolgen? Werdet ihr den verderblichen Strahl ins letzte Sternenflugzeug feuern? Noch einmal frage ich: Warum kämpft ihr gegen uns? Warum laßt ihr uns aus eurer strahlenden Hölle nicht fort? Wodurch haben wir euch erzürnt?“
    Ich schwieg eine Weile, ruhte mich aus, dann sprach ich wieder. „Der Wahnsinn erfaßt alle auf dem Sternenflugzeug. Die Tatsache, daß ich, ein Lebender, zu dir, einem Toten, komme und mit dir rede, beweist noch nicht die Klarheit meines Geistes. Jeder hat seine eigene Form von Wahnsinn. Mein Wahnsinn bist du. Ich vermag mich von dir nicht zu lösen, es zieht mich zu dir. Aber freue dich nicht! Ich überliste dich! Ich bin ebenfalls in die Vergangenheit gesunken, doch ich versinke nicht in ihr, ich rappele mich aus ihren stürmischen Wogen heraus. Verlaß dich nicht auf die Spaltung meiner Seele, sie wird sich nicht spalten.
    Siehst du dieses kleine Gerät? Ich leite die Vergangenheit aus meinem Bewußtsein auf das Diktaphonband.
    Meine Frau wäre unter der schwer gewordenen Bürde der Jahre beinahe zugrunde gegangen. Ich werde ebenfalls nicht zugrunde gehen, nein. Ich werde mich vor dir Stunde für Stunde ruhig und konsequent von Krankheit befreien, mit der du mich infiziert hast.“
    Ich wandte Oan den Rücken zu, nahm das Diktaphon in die rechte Hand. Langsam, mit gleichmäßiger Stimme begann ich zu diktieren: „An jenem Tag stürzte rauschender Regen hernieder, daran erinnere ich mich gut ... “

5
     
     Ich schlief ein, müde vom vielstündigen Diktat. Mich weckte der Ruf: „Admiral Eli ins Laboratorium!
    Admiral Eli ins Laboratorium!“ Ich warf das Diktaphon in den Sessel und lief hinaus.
    Im Laboratorium stand Ellon am Stabilisator, vor Orlan servil gebückt. Abseits erblickte ich Oleg, Grazi und Romero. Orlan bedeutete mir, näher zu kommen.
    Kalt blickte er mich an, wie einen Knaben, den er schulmeistern wolle. Ellon schenkte er keine Beachtung.
    „Der Tag geht zu Ende, und unser Zeitstabilisator beginnt die Arbeit!“ sagte er hochmütig. Und nachdem er den Kopf nur um eine Winzigkeit gedreht hatte, nickte er Ellon geringschätzig zu. „Ist alles bereit, Ellon?“
    „Absolut alles, Orlan“, antwortete Ellon eilfertig und beugte sich sklavisch noch tiefer.
    „Dann schalte ein!“
    Wir hörten einen heftigen Stoß im Apparat, und das war alles. Gespannt warteten wir auf irgendwelche Laute, das Aufflammen von Lichtern, auf Impulse und Wärmewellen, aber der Stabilisator funktionierte ohne äußere Effekte. Ich musterte die Anwesenden, und voller Bitterkeit wurde mir plötzlich deutlich bewußt, wie sehr sich alle verändert hatten.
    Erschöpfung und Leiden hatten die Gesichter gezeichnet, die Schultern gebeugt. Selbst der gottähnliche Grazi, der am wenigsten angekränkelt war, selbst er, der alle überragte, machte nicht mehr den Eindruck einer erhabenen Statue. Und Orlan, der sich hochmütig in die Brust warf und uns von oben herab ansah, der mit seinem bläulichen Gesicht matt phosphoreszierte, vermochte nicht, auf alte Weise den Kopf hochschnellen zu lassen - die wiedergekehrte gespenstische Erhabenheit hatte ihn nicht von den Fesseln befreit, sondern niedergedrückt. Oleg, niedergeschlagen und düster, glich nicht dem rätselhaft leidenschaftslosen Cherub von einst, er war jetzt einfach ein Mann in mittleren Jahren, unser Oberbefehlshaber, der plötzlich vergessen hatte, wie man kommandierte und forderte. Romero, ich ließ meinen Blick weiterwandern, spielte nicht mit seinem Spazierstöckchen, sondern stützte sich darauf, innerhalb weniger Tage war es aus einem Zierat zu einer echten Hilfe für ihn geworden, und dabei war er, wie wir fast alle, in die Vergangenheit entwichen, als er jung gewesen, die Vibration der Zeit hatte ihn in die Jugend geworfen, warum machte die auf wunderbare Weise wiedergekehrte Jugend so alt? Und Mary, meine arme Mary, dachte ich und schloß die Augen, hatte sich eingebildet, ein junges Mädchen zu sein, warum empfand sie ihre junge Liebe als so kummervoll? Nein, dachte ich und wiegte den Kopf im Takt zu meinen Gedanken, ich muß das durchdenken, das ist außerordentlich wichtig,

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