Menschenskinder
Blusen.
Hannes winkte mir nur flüchtig zu, als ich das Aquarium betrat, denn er hing am Telefon und notierte etwas. »Also noch mal: Du wirst in meinem Herzen unvergessen bleiben. Wie bitte? Ohne ›in‹. Du wirst meinem Herzen unvergessen bleiben. Jetzt richtig? Und was kommt auf die andere Schleife? Deine – wie heißt die? Heidelore? Mit Bindestrich. Ja, habe ich verstanden. Bis morgen früh, geht in Ordnung. Danke, wiederhören.« Er legte den Hörer auf und sah mich an. »Kannst du eigentlich schon drucken? Nein? Warum nicht?«
»Weil man nicht alles können wollen muss. Und drucken schon überhaupt nicht, da kriegt man immer so schnell schwarze Finger.«
»Dagegen haben wir erstklassige Spezialseife«, sagte mein Schwiegersohn und stellte in Aussicht, mich während der Mittagspause in die Geheimnisse des Kranzschleifendruckens einzuweihen.
»Määm, kannst du mal nachsehen, ob wir noch die unkaputtbaren Kugeln in hellblau haben?« rief Steffi. »Ich kann hier von der Kasse nicht weg.«
Konnte sie wirklich nicht, davor standen sechs bis acht Kunden mit überbordenden Einkaufswagen. Aber was um alles in der Welt sind unkaputtbare Kugeln? »Wo finde ich die?«
»Letztes Regal hinten links!«
Na, das war doch wenigstens eine Auskunft, mit der sich etwas anfangen ließ! Hinten links standen sie auch wirklich aufgereiht, die Schachteln mit den Christbaumkugeln in allen nur denkbaren Größen und Farben, aber unkaputtbare??? Nie gehört! Muss eine neue Wortschöpfung im Rahmen der Rechtschreibreform sein, durch die sieht doch sowieso keiner durch, weshalb also nicht …?
Schließlich entdeckte ich auf einer Packung den Hinweis »niet breekbaar«. Das musste holländisch sein, ein Idiom, das ich nun wirklich nicht beherrsche. Trotzdem versuchte ich, den Text in die mir geläufige Sprache zu übersetzen und kam zu dem Schluss, dass diese zwei Worte »nicht brechbar« heißen könnten, auf neudeutsch also »unkaputtbar«. Wäre immerhin möglich. Weitere Spekulationen erübrigten sich ohnehin, denn hellblaue Kugeln waren nicht mehr da.
»Es gibt sie nur noch in dunkelblau«, meldete ich etwas außer Atem, denn einen Spurt von knapp fünfzig Metern steckt man mit zunehmendem Alter nicht mehr so ohne weiteres weg.
»Dann muss ich wohl dunkelblaue nehmen.« Die Kundin bedachte mich mit einem grämlichen Blick. »Können Sie mir drei Kartons holen? Und die passenden Kerzen dazu. Die hier nehmen Sie am besten gleich wieder mit!« Sie drückte mir zwei Packungen hellblaue Wachskerzen in die Hand.
Wer bin ich denn, zum Kuckuck noch eins? Laufbursche? Sie hätte ja wenigstens mal bitte sagen können! Während ich wieder zum letzten Regal hinten links trabte, fiel mir Katjas Erlebnis mit einer Schülerin der dritten Klasse ein. Die hatte auch etwas haben wollen und ihren Wunsch wohl ziemlich unhöflich vorgebracht. »Wie heißt denn das Wort mit den zwei ›t‹?« , hatte Katja das Mädchen schließlich gefragt, und was hatte sie grinsend als Antwort bekommen? »Aber flott!«
Als ich Kugeln und Kerzen ablieferte, bekam ich zumindest ein Danke zu hören.
Inzwischen war ich schon viermal an dem Rollcontainer vorbeigelaufen, dessen Abräumen mir Stefanie so dringend ans Herz gelegt hatte, aber wie hieß das Zeug, das ich als Erstes auspacken sollte? Irgendwas mit -us oder -thus am Ende, nur was davor kam, hatte ich vergessen.
»Sag mir noch mal den Namen von dem Grünzeug, das am dringendsten aufgefüllt werden muss«, bat ich leise, »ich weiß ihn nicht mehr.«
»Amaranthus«, flüsterte sie zurück.
»Danke.«
Dann stand ich wieder vor dem Wagen mit den vielen Kartons, zog einige der länglichen heraus, in denen ich Blumen vermuten konnte, und hatte ein neues Problem! Wie sieht denn Amaranthus überhaupt aus? Waren es diese lilienähnlichen Gewächse oder die komischen grünen Strippen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Saschas Haartracht während seiner Teenager-Zeit hatten? Es könnten aber auch jene weinroten Wedel sein, die aussahen wie dick verknotete Leinen einer zu kurz geratenen Angelrute. Jeden Karton drehte ich herum, in der Hoffnung, irgendwo einen Namen zu finden, nur stehen die immer außen auf den riesigen Verpackungen, in denen die einzelnen Schachteln verschickt werden. Weshalb muss ich überhaupt wissen, wie Amaranthus aussieht? Die Pflanze muss ja auch einen deutschen Namen haben, in Bio bin ich seinerzeit ganz gut gewesen, weiß sogar noch, dass das Alpenveilchen zu den Primelgewächsen
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