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Mephisto

Mephisto

Titel: Mephisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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endlich ein ernstes Gesicht machen. »Sie ist heute abend ein wenig unpäßlich.« Dabei ließ er die Hand des Senators und Staatsrats los. Dieser sagte wehmütig: »Wie leid mir das tut.«
    Natürlich wußte er – was allen hier im Saal bekannt war –, daß die Frau des Propagandaministers völlig verzehrt und innerlich verwüstet war, von Eifersucht auf die Gattin des Ministerpräsidenten. Da der Diktator selber unverehelicht blieb, war das angetraute Weib des Reklamechefs die Erste Dame im Reiche gewesen, und sie hatte diese ihre gottgewollte Funktion mit Anstand und Würde erfüllt, ihr Todfeind konnte es nicht bestreiten. Dann aber kam diese Lotte Lindenthal daher, eine mittlere Schauspielerin – jung war sie auch nicht mehr –, und ließ sich heiraten von dem prachtliebenden Dicken. Die Frau des Propagandaministers litt unbeschreiblich. Man machte ihr den Rang der ersten Dame streitig! Eine andere drängte sich vor! Mit einer Komödiantin ward ein Kult getrieben, als ob die Königin Luise auferstanden wäre! Immer wenn es eine Veranstaltung zu Lottes Ehren gab, ärgerte sich Frau Reklamechef so ungeheuer, daß sie Migräne bekam. Auch heute abend war sie im Bett geblieben.
    »Gewiß hätte sich Ihre Frau Gemahlin hier sehr gut unterhalten.« Höfgen machte immer noch die feierliche Miene. In seinen Worten war von Ironie keine Spur zu finden. »Zu schade, daß der Führer absagen mußte. Auch der englische und der französische Botschafter sind verhindert.«
    Mit diesen Feststellungen, die er in sanftestem Tone vorbrachte, verriet Höfgen seinen eigentlichen Freund und Gönner – den Ministerpräsidenten, dem er all seinen Glanz zu danken hatte – an den eifersüchtigen Propagandaminister: diesen aber hielt er sich für alle Fälle in der Reserve.
    Der gewandte Klumpfuß fragte vertraulich, nicht ohne Hohn: »Und wie ist hier die Stimmung?«
    Der Intendant der Staatstheater sagte zurückhaltend: »Man scheint sich zu amüsieren.«
    Die beiden Würdenträger führten ihre Unterhaltung leise; denn um sie drängten sich Neugierige, auch mehrere Photographen waren herbeigekommen. Die Kanonenfabrikantin flüsterte eben Pierre Larue zu, der in Verzückung die bleichen Knochenhändchen über der Brust gegeneinander rieb: »Unser Intendant und der Minister – sind sie nicht ein herrliches Paar? Beide so bedeutend! Beide so schön!« Sie drängte ihren üppigen, geschmückten Leib nahe an das gebrechliche Körperchen des Kleinen. Der zarte gallische Liebhaber des germanischen Heroismus, der strammen Jünglinge, des Führergedankens und der hohen Adelsnamen fürchtete sich vor der atmenden Nähe so viel weiblichen Fleisches. Er versuchte, sich ein wenig zurückzuziehen, während er zirpte: »Exquisit! Ganz charmant! Unvergleichlich!« Die Rheinländerin beteuerte: »Unser Höfgen – das ist ein ganzer Mann, sagte ich Ihnen! Ein Genie, so etwas gibt es weder in Paris noch in Hollywood! Und so urdeutsch, so gerade, einfach und ehrlich! Ich habe ihn ja schon gekannt, als er noch so klein gewesen ist.«
    Mit der vorgestreckten Hand deutete sie an, wie klein Hendrik gewesen war, als sie, die Millionärin, seine Mutter auf den Kölner Wohltätigkeitsveranstaltungen konsequent geschnitten hatte.
    »Ein herrlicher Junge!« sagte sie noch, und bekam so sinnliche Augen, daß Larue panisch die Flucht ergriff.
    Man hätte Hendrik Höfgen für einen Mann von etwa fünfzig Jahren gehalten; er war aber erst neununddreißig – ungeheuer jung für seinen hohen Posten. Seine fahle Miene mit der Hornbrille zeigte jene steinerne Ruhe, zu der sich sehr nervöse und sehr eitle Menschen zwingen können, wenn sie sich von vielen Leuten beobachtet wissen. Sein kahler Schädel hatte edle Form. Im aufgeschwemmten, grau-weißen Gesicht fiel der überanstrengte, empfindliche und leidende Zug auf, der von den hochgezogenen blonden Brauen zu den vertieften Schläfen lief; außerdem die markante Bildung des starken Kinns, das er auf stolze Art hochgereckt trug, so daß die vornehm schöne Linie zwischen Ohr und Kinn kühn und herrisch betont ward. Auf seinen breiten und blassen Lippen lag ein erfrorenes, vieldeutiges, zugleich höhnisches und um Mitleid werbendes Lächeln. Hinter den großen, spiegelnden Brillengläsern wurden seine Augen nur zuweilen sichtbar und wirksam: dann erkannte man, nicht ohne Schrecken, daß sie, bei aller Weichheit, eiskalt, bei aller Melancholie sehr grausam waren. Diese grün-grau schillernden Augen ließen an

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