Mephisto
Vorbild der ewige ›Bel-Ami‹ von Maupassant, der schon Ihrem Onkel das köstliche ›Schlaraffenland‹ entdecken half. Also keine Hitler und Göring und Goebbels als Romanfiguren, kein Agitprop, keine kommunistischen ›Wühlmäuse‹, keineMünzenbergiaden 5 , aber doch – etwa – auch die Ermordung dieses Berliner Schauspielers, dessen Namen mir jetzt gerade nicht einfällt. 6 Das Ganze im ironischen Spiegel einer großen versteckten, freilich spürbaren Leidenschaft. Keine politischen Darstellungen. Gesellschaftssatire. Satire auf gewisse homosexuelle Figuren. Satire auf den Streber, auf – vielleicht – viele Arten Streber. Im Ganzen: der Hauptstadt erzählt, wie man Intendant wird.
Ich glaube, solch ein Stoff könnte Ihnen sehr gelingen und könnte durch die Dritte-Reich-Sphäre auch größere Chancen bieten. Ich sprach mit Landshoff darüber, und er ist gleichfalls meiner Meinung – wird es Ihnen auch wohl schreiben.
Es würde mich sehr freuen, wenn ich Ihnen eine vage Anregung zu einem ,Theater‘-roman damit gegeben hätte.‹
Über unseren Fund schrieb ich am 3. Dezember 1974 an Hermann Kesten:
›Übrigens: Ihr Brief vom 15. 11. 1935 enthält ja die ‚Anstiftung‘ zum ,Mephisto‘-Roman. Schade, daß wir den nicht schon zum Prozeß hatten! Zu tief saß bei einigen Richtern, die mit diesem Prozeß befaßt waren … das Vorurteil, hier sei nur eine Verunglimpfung und Herabwürdigung von Gründgens gemeint gewesen. Wenn nun so klar geworden wäre, wie aus Ihrem Brief daß der Anstoß ganz von außen kam und von einem Schriftsteller, der das künstlerische Problem in den Vordergrund stellte, vielleicht wäre der Prozeß doch anders verlaufen. Sie wissen, daß das Bundesverfassungsgericht im Februar 1971 mit einer 3:3-Entscheidung unsere Beschwerde abgelehnt hat und das Werk weiterhin in der BRD verboten ist? In der DDR und in der Schweiz erscheint es mühelos. Merkwürdig ist übrigens, daß Sie sich zu dieser Anregung zu ,Mephisto‘ nicht oder nur sehr spät bekannt haben. Noch imGedächtnis-Buch 7 , das Ihre besonders schöne Charakterisierung von Klaus Mann enthält, schreiben Sie wörtlich ,angeregt wohl von der komödiantischen Natur der nationalsozialistischen Regierung‘. Der Anreger aber waren Sie, das zeigt eben jener Brief.‹
Hermann Kesten antwortete, er hätte in der Tat das alles vergessen gehabt.
Damit sind wir bereits mitten in der Auseinandersetzung um ›Mephisto – Roman einer Karriere‹, bei dem Fall, der fast acht Jahre lang – zwischen 1964 und 1971 – die Gerichte und die Öffentlichkeit beschäftigt hat.
Der Ablauf, kurz erzählt: Der Roman, 1936 geschrieben, erschien erstmals im selben Jahr im Querido Verlag, Amsterdam, und zwar in deutscher Sprache. Später folgten Übersetzungen in mehrere Sprachen, bis heute liegen elf Übersetzungen vor. In Deutschland erschien der Roman erstmals 1956 im Aufbau-Verlag, Ost-Berlin.
Im Spätsommer 1963 kündigte die Nymphenburger Verlagshandlung das Erscheinen einer Werkausgabe von Klaus Mann an. Innerhalb der Ausgabe war auch der Roman ›Mephisto‹ vorgesehen.
Am 31. März 1964 erhob Peter Gorski als Adoptivsohn und Erbe des ein halbes Jahr zuvor verstorbenen Schauspielers Gustaf Gründgens vor dem Landgericht Hamburg Klage gegen den Verlag, um das Erscheinen des ›Mephisto‹-Romans in der Bundesrepublik zu verhindern.
Durch Urteil vom 25. August 1965 wurde die Klage abgewiesen. Daraufhin brachte der Verlag eine Auflage in Höhe von 10000 Exemplaren heraus. Peter Gorski legte Berufung ein und versuchte, durch eine Einstweilige Verfügung die Verbreitung zu unterbinden. Das Oberlandesgericht Hamburg beschied diesen Verfügungsantrag dahin, daß der Roman bis zur Entscheidung des anhängigen Hauptprozesses weiterhin mit folgendem Vorwort erscheinen könne:
›An den Leser
Der Verfasser Klaus Mann ist 1933 freiwillig aus Gesinnung emigriert und hat 1936 diesen Roman in Amsterdam geschrieben. Aus seiner damaligen Sicht und seinem Haß gegen die Hitlerdiktatur hat er ein zeitkritisches Bild der Theatergeschichte in Romanform geschaffen. Wenn auch Anlehnungen an Personen der damaligen Zeit nicht zu verkennen sind, so hat er den Romanfiguren doch erst durch seine dichterische Phantasie Gestalt gegeben. Dies gilt insbesondere für die Hauptfigur. Handlungen und Gesinnungen, die dieser Person im Roman zugeschrieben werden, entsprechen jedenfalls weitgehend der Phantasie des Verfassers. Er hat daher seinem Werk die
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